"Ein Tarifzwang wäre eine erschütternde Bankrotterklärung"

"Ein Tarifzwang wäre eine erschütternde Bankrotterklärung"

"Ein Tarifzwang wäre eine erschütternde Bankrotterklärung"

Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander redet auf XING Klartext zu den tarifpolitischen Plänen des DGB:

In einem kleinen Örtchen am Rande des Waldes betrieb einst Herr H. eine Brauerei und musste feststellen, dass niemand sein Bier trank. Als er schließlich kurz vor der Pleite stand, probierte Herr H. ratlos eines seiner Biere – und musste feststellen: Es schmeckte scheußlich. Doch er wusste Rat und ging zum Bürgermeister. Der sollte sofort den örtlichen Brunnen zuschütten lassen und bei Strafe verbieten, dass die Bewohner des Örtchens fremdes Bier tranken.

Ob Herr H. und die Bewohner des Örtchens wohl bis an ihr Ende glücklich und in Frieden lebten? Das kann ich mir kaum vorstellen. Der DGB aber anscheinend schon.

Wir stehen voller Überzeugung hinter dem Flächentarif

Um einen beliebten Vorwurf gleich am Anfang aus dem Weg zu räumen: Wir Arbeitgeber sind ausgesprochene Freunde des Flächentarifs und der Tarifautonomie. Beides sind Erfolgsmodelle und gehören unverzichtbar, weil unersetzbar, zu unserer sozialen Marktwirtschaft. Auch den Unternehmen empfehlen wir mit Überzeugung die Mitgliedschaft im Flächentarif.

Nun ist die Mitgliedschaft in einem tarifbindenden Arbeitgeberverband, ebenso wie natürlich die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, freiwillig. Arbeitgeber und Arbeitnehmer treten einer Organisation nur bei, wenn sie in den dort getroffenen Vereinbarungen unter dem Strich mehr Vor- als Nachteile sehen. Da stehen die Gewerkschaften, nebenbei gesagt, auch nicht so strahlend da. Selbst solche, die Mitgliederzuwächse aufweisen können, wie die IG Metall, gewinnen prozentual weniger neue Mitglieder, als neue Arbeitsplätze in der Branche entstehen. Aber nicht wir werfen den Gewerkschaften vor, zu wenig Mitglieder zu haben, sondern sie beklagen sich über uns, dass Unternehmen aus dem Tarifverband aus- oder gar nicht erst eintreten.

Das ist zunächst einmal richtig. In der Tat sinkt die Zahl der Unternehmen in der Tarifbindung auch in der Metallindustrie. Seit wir den Flächentarifvertrag um das "Pforzheimer Abkommen" ergänzt haben, das geregelte Abweichungen vom Tarifvertrag ermöglicht, nicht mehr in dem Ausmaß wie früher, aber dennoch sind viele Unternehmen ganz offensichtlich der Ansicht, ohne Flächentarif besser klarzukommen als mit. Dabei ist das oft noch nicht mal eine Frage der Löhne, wie Untersuchungen zeigen. Aber es bleibt die Erkenntnis: Die Tarifbindung ist freiwillig – und ganz offensichtlich für viele Unternehmen unter dem Strich nicht attraktiv genug (für viele Beschäftigte auch nicht, aber …).

Die Legitimation beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit

Der DGB zieht daraus den Schluss: Wenn die Unternehmen nicht freiwillig dem Tarif beitreten, dann muss man sie dazu zwingen. Das ist eine erschütternde gewerkschaftliche Bankrotterklärung. Es ist nicht nur der Verrat an 150-jähriger gewerkschaftlicher Tradition (geprägt vom Kampf dagegen, dass der Staat sich in die Arbeitsbeziehungen einmischt) – es ist auch die schlichte Weigerung, die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen. Das Produkt ist noch nicht gut genug, um alle potenziellen Kunden zu überzeugen.

Die gesamte Legitimation, die das Grundgesetz uns Tarifparteien zugesteht, beruht auf dem Prinzip des Ausgleichs und der Freiwilligkeit – weil man so verantwortlich für die Folgen seiner Tarifpolitik ist. Einzelne Gewerkschaften scheinen aber die Lust am in der Tat gelegentlich sehr mühsamen Aushandeln von Kompromissen verloren zu haben. Sie möchten deshalb die mühsame Arbeit gern dem Gesetzgeber überlassen. Das ist falsch und beschädigt die Tarifautonomie.

Viele der DGB-Forderungen sind verfassungsrechtlich höchst fragwürdig, weil die negative Koalitionsfreiheit berührt ist. Die verfassungsrechtlichen Probleme stören die Autoren vermutlich noch am wenigsten. Doch die faktische Abschaffung der Tarifautonomie wird jede Legitimation der Tarifparteien untergraben, und die Errichtung eines Zwangssystems wird zudem zwingend zu Gegenreaktionen führen.

Wir wollen den Rückfall in alte Zeiten verhindern

Dass die Gewerkschaften heute einen so großen Einfluss auf die Bundespolitik haben, haben sie der neu gewonnenen Akzeptanz des Tarifsystems zu verdanken. Aber vor gar nicht so langer Zeit war das Tarifsystem massiv in der Kritik, und auch das Verhalten der Gewerkschaften als Dauerbremser war so offensichtlich, dass sie bei grundlegenden Reformen des Sozialstaats eben nicht mehr gefragt wurden.

Ich finde es nicht erstrebenswert, unsere Tarifverträge in kurzer Zeit wieder gegen neue Henkels und Rogowskis verteidigen zu müssen.

Die Tarifautonomie ist eine wichtige und unverzichtbare Säule der sozialen Marktwirtschaft. Es darf nicht sein, dass sie um kleiner politischer Vorteile willen ad absurdum geführt und so zerstört wird.

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