"Hinter den Worthülsen verbirgt sich schlichter Protektionismus"
"Hinter den Worthülsen verbirgt sich schlichter Protektionismus"
Leserbrief von Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander in der FAZ zum Interview mit der französischen Arbeitsministerin:
Wer nach der Lektüre immer noch glaubt, in der Regierung Macron überzeugte Europäer vom Schlage Robert Schumans und Jean Monnets vor sich zu haben, der will sich wider besseres Wissen selber belügen.
Hinter den Worthülsen verbirgt sich schlichter Protektionismus. Frankreich hat seit vielen Jahren Probleme mit seinem Sozialstaat und dem Arbeitsmarkt. In der französischen Gesellschaft sind solche Vorschriften zugegeben außerordentlich populär. Aber das kann die französische Regierung nicht von der Verantwortung entbinden, die Fesseln, die man dort der heimischen Wirtschaft anlegt, selber abzuschaffen. Statt die Probleme anzugehen, hoffen manche darauf, die Fesseln, die man selber trägt, auch allen anderen anzulegen und so aufzuholen.
Die von Madame Pénicaud angeführte Entsenderichtlinie ist ein perfektes Beispiel für die Haltung: Mit aberwitzigen Bürokratieschikanen werden die Grundfreiheiten der EU faktisch abgeschafft. Die Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit stören nur, wenn man sein Land abschotten will. Der Satz, die Europäer würden es nicht verstehen, wenn man sich innerhalb Europas Konkurrenz mache, ist bezeichnend.
Die britischen Konservativen haben den Fehler gemacht, die EU verlassen zu wollen, und das mit nationalen Interessen begründet. Aber von Frankreich lernen wir: Bretthartem Protektionismus muss man bloß mit wohlfeilen Parolen ein europäisches Deckmäntelchen umlegen, dann bejubeln viele Europäer auch noch, dass die Ideale Europas geopfert werden.