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Deutschland fehlen 320.600 MINT-Arbeitskräfte

Berlin. Die Studie „MINT-Früh­jahrs­re­port“ zeigt, dass die Arbeits­kräf­te­lücke im MINT-Bereich (Mathe­matik, Infor­matik, Natur­wis­sen­schaften, Technik) stark zunimmt. Die MINT-Arbeits­kräf­te­lücke erreicht im April 2022 mit insgesamt 320.600 fehlenden MINT-Arbeits­kräften einen neuen Rekord­höchst­wert für den Vergleichs­monat April. Im vergan­genen Jahr war die MINT-Lücke im April 2021 mit 159.800 fehlenden MINT-Arbeits­kräften nur halb so hoch gewesen. In den letzten Jahren sind die Beschäf­ti­gungs­zahlen und Engpässe in den Bereichen Energie/Elektro und IT besonders stark gestiegen.

Prof. Dr. Axel Plünnecke, Leiter Kompe­tenz­feld Bildung, Zuwan­de­rung und Inno­va­tion am Institut der deutschen Wirt­schaft Köln: „Ohne die MINT-Zuwan­de­rungs­er­folge in den letzten Jahren würden schon heute rund 312.000 MINT-Kräfte in Deut­sch­land zusätz­lich fehlen und die MINT-Lücke läge bei über 600.000. Die Forschungs­leis­tung in Deut­sch­land – gemessen an Patenten – ist in den letzten Jahren allein dadurch gestiegen, dass die Paten­t­an­mel­dungen von Erfin­de­rinnen und Erfindern mit auslän­di­schen Wurzeln zuge­nommen haben. Bei Paten­t­an­mel­dungen in Digi­ta­li­sie­rungs­tech­no­lo­gien ist der Anteil der Erfin­der*innen mit auslän­di­schen Wurzeln von 8,2 Prozent im Jahr 2010 auf 14,0 Prozent im Jahr 2018 besonders stark gestiegen. In der Bran­chen­gruppe Tele­kom­mu­ni­ka­tion und IT beträgt der Zuwan­de­rungs­an­teil sogar 22,5 Prozent.“
 
Indra Hadeler, Geschäfts­füh­rerin Bildung und Inter­na­ti­o­nale Bezie­hungen des Arbeit­ge­ber­ver­bandes Gesamt­me­tall: „Der MINT-Nachwuchs droht immer weniger zu werden. Die negativen Effekte der pande­mie­be­dingten Schul­schlie­ßungen auf die MINT-Kompe­tenzen der Schü­le­rinnen und Schüler und der Rückgang der MINT- Studi­e­n­an­fän­ger­zahlen hinter­lassen tiefe Spuren. Rund 36 Prozent der MINT-Beschäf­tigten sind in der M+E-Industrie tätig. Daher ist die Sicherung des MINT-Nach­wuchses für die Industrie besonders wichtig, um über Inno­va­ti­onen die Weichen für die Digi­ta­li­sie­rung und die Deka­r­bo­ni­sie­rung und damit für nach­hal­tiges Wachstum zu stellen. Die M+E-Industrie inves­tiert pro Jahr rund 101 Milli­arden Euro in Inno­va­ti­onen – das sind 59 Prozent der deutschen Inno­va­ti­ons­auf­wen­dungen. 75 Prozent aller Paten­t­an­mel­dungen in Deut­sch­land stammen aus der M+E-Industrie – Klima­schutz und Digi­ta­li­sie­rung gewinnen dabei deutlich an Bedeutung.“
 
Christina Ramb, Mitglied der Haupt­ge­schäfts­füh­rung der BDA: „Digi­ta­li­sie­rung, Deka­r­bo­ni­sie­rung und demo­gra­fi­sche Entwick­lung fordern unser Bildungs­system gleich­zeitig und aus unter­schied­li­chen Rich­tungen. MINT-Bildung ist ein wichtiger Schlüssel zur Bewäl­ti­gung dieser zentralen Heraus­for­de­rungen. Der MINT-Arbeits­kräf­temangel wirkt sich bereits auf unsere Wett­be­werbs­fä­hig­keit aus. Weitere Poten­ziale müssen schnell gewonnen werden. Durch eine klischee­freie Berufs- und Studie­n­o­ri­en­tie­rung müssen wir insbe­son­dere auch mehr Frauen für MINT-Berufe begeis­tern, die hier weiter stark unter­re­prä­sen­tiert sind. MINT-Berufe bieten hervor­ra­gende Beschäf­ti­gungs- und Aufstiegs­per­spek­tiven. Durch Verfah­rens­er­leich­te­rungen sollten zudem die Möglich­keiten der Fach­kräf­te­zu­wan­de­rung in MINT-Fach­a­r­bei­ter­be­rufen dringend verbes­sert werden.“
 
Prof. Dr. Christoph Meinel, Vorsit­zender MINT Zukunft e. V.: „MINT bleibt weiterhin der größte Hebel, um die Welt von Heute und Morgen zu verstehen und gestalten zu können. Zudem bietet MINT eine gute Chance für den so oft propa­gierten Bildungs­auf­stieg. Dabei kommt Schulen eine besondere Bedeutung zu, wird doch hier die Basis für die MINT-Kompe­tenzen gelegt und Schü­le­rinnen und Schülern die Freude am Gestalten der realen und virtu­ellen Welt nahe­ge­bracht. Ein breiter, inter­dis­zi­plinär ange­legter Unter­richt ermög­licht es z. B. später im Berufs­leben das Schlag­wort „daten­ge­trie­bene Geschäfts­mo­delle“ zum Leben zu erwecken. Der Digi­ta­li­sie­rung im Unter­richt mehr Raum zu geben ist eine zentrale Gelin­gens­be­din­gung. Dies sollte zum einen über die Stärkung der digitalen Kompe­tenzen, als auch einen Ausbau der infor­ma­to­ri­schen Grund­bil­dung z. B. über ein Fach Infor­matik erreicht werden. Klar benannte Heraus­for­de­rung im MINT-Früh­jahrs­re­port ist, dass rein virtu­elles Lernen im Grad der Effek­ti­vität mit vor-Ort Lern- und Lehr­formen nicht mithalten kann.“
 
Edith Wolf und Dr. Ekkehard Winter, Vorstände des Nati­o­nalen MINT Forums: „Diese drama­ti­schen Zahlen zeigen: die Politik muss tätig werden – Koope­ra­tion auf allen Ebenen, zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist geboten. Dabei darf die Förderung der MINT-Bildung nicht mehr nur ein Thema der Bildungs­po­litik sein. Arbeits- und Wirt­schaftsres­sorts sollten ebenfalls einbe­zogen werden. Eine echte Chance, vielen Kindern den Zugang zu den MINT- Diszi­plinen zu ermög­li­chen, ist die regel­mä­ßige Einbin­dung außer­schu­li­scher MINT-Akteure in die Angebote des Ganztages, z. B. über feste Tage. Die Nutzung dieser Poten­tiale würde zu erheblich mehr Teilhabe- und Chan­cen­ge­rech­tig­keit führen. Besonders Kinder aus bildungs­fer­neren Haus­halten würden davon stark profi­tieren.“
 
Der MINT-Report wird zweimal jährlich vom Institut der deutschen Wirt­schaft Köln erstellt. Die Studie entsteht im Auftrag folgender Mitglieder des Nati­o­nalen MINT Forums: Bundes­ver­ei­ni­gung der Deutschen Arbeit­ge­ber­ver­bände, Arbeit­ge­ber­ver­band Gesamt­me­tall und MINT Zukunft schaffen.