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Für ein Europa, in dem wir gut und gerne wirtschaften können

Neue EU-Kommis­sion

Gastbeitrag von Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf bei Table.Media zu den Erwartungen an die neue EU-Kommission

Bei der Euro­pa­wahl 2024 wurde gerne die wunder­volle EU beschworen: Vier Millionen Quadrat­ki­lo­meter mit fast 450 Millionen Menschen, in denen sich Menschen, Waren, Dienst­leis­tungen und Finanzen frei bewegen können, wovon die Wirt­schaft und die Bürge­rinnen und Bürger gleichsam profi­tieren. Eine schöne Erzählung, denn diese Grund­frei­heiten gehören in der Tat zu den größten Errun­gen­schaften der EU.

Doch die Wirk­lich­keit sieht anders aus. Der Fokus der EU liegt längst nicht mehr auf wirt­schaft­li­chem Erfolg.

Gerade in der zurück­lie­genden Legis­la­tur­pe­riode hat die EU-Politik die Wirt­schaft im Stich gelassen. Vor allem Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg haben den Unter­nehmen schwer zu schaffen gemacht. Doch anstatt sie dann wenigs­tens zu entlasten, blieben Forde­rungen nach einem Belas­tungs­mo­ra­to­rium nicht nur ungehört. Zahl­reiche Vorschläge mit enormem Belas­tungs­po­ten­zial legte die Kommis­sion erst in dieser Phase vor.

Die promi­nen­testen Beispiele dafür sind die Richt­li­nien zur Nach­hal­tig­keits­be­richt­er­stat­tung (CSRD) und zu Sorg­falts­pflichten in Liefer­ketten (CSDDD). Die Stimmung in den Unter­nehmen ist entspre­chend schlecht: Laut FAZ-Elite­panel vom Dezember 2023 sagen 50 Prozent der Führungs­spitzen der Wirt­schaft, dass die Politik der EU die Volks­wirt­schaften schwächt.

Politik liefert noch mehr vom Gleichen

Hinzu kommt: Seit mindes­tens drei Euro­pa­wahlen wird jede Euro­pa­wahl zur Schick­sals­wahl (v)erklärt, bei der es darauf ankomme, Europa gegen seine Feinde zu vertei­digen. Und doch gewannen euro­pa­kri­ti­sche oder gar -feind­liche Parteien dazu. Und jedes Mal war die Antwort darauf, in den Folge­jahren noch mehr vom Gleichen zu liefern. Und dann ist die Verwun­de­rung groß, wenn man noch mehr klein­tei­lige Regu­lie­rung erlassen hat und vom Wähler trotzdem immer noch nicht geliebt wird – wie vor fünf Wochen wieder zu beob­achten war.

Die deutsche Metall- und Elektro-Industrie steht klar zur EU, die auch mehr als nur ein Binnen­markt sein muss. Aber die Argumente der Euro­pa­kri­tiker müssen endlich durch konkrete Taten widerlegt werden. Neben im globalen Vergleich hohen Energie- und Arbeits­kosten und dem Fach­kräf­temangel ist die Regu­lie­rungs­dichte ein weiterer entschei­dender Faktor, der den Indus­tri­e­standort Europa immer weniger attraktiv macht. Will Europa eine führende Indus­trie­re­gion in der Welt bleiben, müssen sich die Rahmen­be­din­gungen hier wieder deutlich verbes­sern!

Handeln an Wett­be­werbs­fä­hig­keit ausrichten

In dieser Woche steht nun im Euro­pä­i­schen Parlament die Abstim­mung über eine zweite Amtszeit von Kommis­si­ons­prä­si­dentin Ursula von der Leyen an. Unsere Erwar­tungs­hal­tung ist klar: So geht es nicht weiter, ein neuer Politik- und Regie­rungs­stil und ein Poli­tik­wechsel müssen her.

  • Vor einigen Jahren hat die Kommission im Rahmen ihrer Ressourcenstrategie gegenüber der Wirtschaft den Anspruch „Doing more with less“ erhoben. Der Anspruch muss nun endlich auch für die Kommission selbst gelten: Sie muss sich auf die Maßnahmen beschränken, die tatsächlich einen europäischen Mehrwert haben, und sie muss bestehende Hemmnisse im Binnenmarkt – die sie zum Teil selbst geschaffen hat – abbauen. Hier sind auch die Mitgliedstaaten in der Pflicht. Mit der Subsidiaritätsrüge haben die nationalen Parlamente ein wirksames Instrument in der Hand.
  • Die EU kann sehr viel Mehrwert schaffen, wenn sie mit visionären Projekten wie dem Schengenraum, dem Binnenmarkt oder der gemeinsamen Währung vorangeht. Auf solche Leuchtturmprojekte mit europäischer Integrationskraft muss sich die EU wieder stärker fokussieren. Die aktuell laufende Überarbeitung der bereits überarbeiteten Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten überzeugt wohl nur wenige davon, wie wichtig Europa für unser aller Alltag ist.
  • Alle EU-Institutionen müssen ihr Handeln daran ausrichten, ob es den Wirtschaftsstandort Europa wettbewerbsfähiger macht. Es darf nicht länger darum gehen, möglichst viele Paragrafen zu verabschieden oder Vorhaben, die national nicht zu erreichen waren, über den Umweg Brüssel allen aufzuzwingen.
  • Und nicht zuletzt muss sich Europa auch wieder an die Grenzen halten, die ihm den eigenen Verträgen nach auferlegt wurden. Die Sozialpolitik etwa ist ausdrücklich primär Sache der Mitgliedstaaten, dort hat die EU wenige Kompetenzen. Sie sollte sich auch nicht aus Gefallsucht selber gewähren, wie bei der Mindestlohn-Richtlinie geschehen.

Wir brauchen die EU, von der im Wahlkampf geschwärmt wird, dringend zurück. Um einen alten Slogan der CDU aufzu­greifen: Es ist Zeit für Politik für ein Europa, in dem wir gut und gerne wirt­schaften können.