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209.000 Fachkräfte in MINT-Berufen fehlen

Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit Deut­sch­lands in Gefahr

Die MINT-Diszi­plinen und -Berufe (Mathe­matik, Infor­matik, Natur­wis­sen­schaften und Technik) haben eine zentrale Bedeutung für die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit und das Wachstum der deutschen Wirt­schaft. Damit sind sie auch entschei­dend für das Gelingen der Trans­for­ma­tion in den nächsten Jahren. Die Arbeits­kräf­te­lücke im MINT-Bereich bleibt, trotz der starken konjunk­tu­rellen Abkühlung, auch im September 2024 mit einem Wert von 209.200 auf hohem Niveau und droht in den kommenden Jahren zu steigen. Bereits aktuell verlieren deutsche Unter­nehmen im globalen Inno­va­ti­ons­wett­be­werb an Boden. Es bedarf daher drin­gender Maßnahmen, um den Heraus­for­de­rungen erfolg­reich zu begegnen.

Der starke konjunk­tu­relle Einbruch in den Jahren 2023 und 2024 zeigt sich auch im Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeits­su­chenden in den MINT-Berufen, wenn auch in erstaun­lich geringem Maße. Es können weiterhin 209.200 MINT-Arbeits­plätze nicht besetzt werden. Mit rund 109.100 Personen bilden die MINT-Fach­a­r­bei­ter­be­rufe im September 2024 die größte Engpass­gruppe, gefolgt von rund 77.700 Personen im Segment der so genannten MINT-Exper­ten­be­rufe (Akade­miker) sowie rund 22.300 im Bereich der Spezi­a­listen- bezie­hungs­weise Meister- und Tech­ni­ker­be­rufe. Diffe­ren­ziert man die Arbeits­kräf­te­lücke nach Bereichen, so zeigen sich die größten Engpässe in den Energie-/Elek­trobe­rufen mit rund 68.600, in den Berufen der Maschinen- und Fahr­zeug­technik mit rund 41.500, in den Baube­rufen mit rund 30.800, in den Berufen der Metall­ver­a­r­bei­tung mit rund 30.300 und in den IT-Berufen mit rund 18.700 Personen.

M+E-Industrie: die treibende Innovationskraft der deutschen Wirtschaft

Branchen mit einem großen Anteil an Erwerbs­tä­tigen mit einer MINT-Quali­fi­ka­tion weisen in Deut­sch­land hohe Inno­va­ti­ons­aus­gaben aus. Dies gilt besonders für die M+E-Industrie, in deren Branchen 55 bis 68 Prozent der erwerbs­tä­tigen Personen eine MINT-Quali­fi­ka­tion haben. Die deutsche M+E-Industrie inves­tierte im Jahr 2023 rund 74 Mrd. Euro in Forschung und Entwick­lung. Das sind deutlich mehr als die Hälfte der gesamt­wirt­schaft­li­chen Inno­va­ti­ons­auf­wen­dungen Deut­sch­lands. Damit diese Inno­va­ti­ons­tä­tig­keiten für die Heraus­for­de­rungen der Zukunft weiter gestei­gert werden können, sind gut ausge­bil­dete Personen mit MINT-Quali­fi­ka­ti­onen essen­tiell.

Verschie­dene Unter­su­chungen zeigen, dass Fach­kräf­teeng­pässe zu den wich­tigsten Hemm­nissen bei Inno­va­ti­ons­vor­haben zählen. Eine aktuelle Befragung des IWs zeigt darüber hinaus, dass für 44 Prozent der Unter­nehmen Fach­kräf­teeng­pässe die Digi­ta­li­sie­rung im Unter­nehmen bremst, 29 Prozent werden durch Fach­kräf­teeng­pässe bei Klima­schutz und Ener­gie­wende gehemmt, 27 Prozent beim Umgang mit geopo­li­ti­schen Risiken. Vor allem MINT-Fach­kräfte sind für das Gelingen der Trans­for­ma­tion von großer Bedeutung.

Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland gerät im internationalen Vergleich ins Hintertreffen

Deut­sch­land wird von hohen und stei­genden Kosten für Energie, Löhne, Steuern und Büro­kratie belastet und verliert im globalen Inno­va­ti­ons­wett­be­werb an Boden. Insgesamt ist ein hoher Anteil der beste­henden indus­tri­ellen Wert­schöp­fung in Deut­sch­land gefährdet. Noch sind Stärken bei Forschung, Patenten und MINT-Bildung vorhanden. Neue Chancen bestehen zudem bei Tech­no­lo­gien für den Klima­schutz. Andere Länder haben in den vergan­genen Jahren zudem ihre Ausgaben für Forschung und Entwick­lung gemessen am BIP stärker erhöht – mit der Folge, dass nach Auswer­tungen der IW-Patent­da­ten­bank auch der Anteil Deut­sch­lands an den inter­na­ti­o­nalen Paten­t­an­mel­dungen stark gesunken ist.

Ausblick: Demografie und rückläufige Bildungsleistungen belasten im Innovationswettbewerb

„Deut­sch­lands Inno­va­ti­ons­kraft droht in den kommenden Jahren durch einen Mangel an MINT-Fach­kräften deutlich zu sinken“, sagt Prof. Dr. Axel Plünnecke, Leiter der Studie und des Themen­clus­ters Bildung, Inno­va­tion und Migration am Institut der deutschen Wirt­schaft Köln. Das künftige Angebot an MINT-Fach­kräften wird durch die demo­gra­fi­sche Entwick­lung und zugleich (laut PISA-Studie) durch sinkende MINT-Kompe­tenzen der in den Arbeits­markt nach­rü­ckenden Jahrgänge belastet. Andere Länder wie Japan oder Korea weisen deutlich bessere und stabilere MINT-Kompe­tenzen auf oder haben wie die USA, Frank­reich, Dänemark und Schweden eine deutlich güns­ti­gere demo­gra­fi­sche Ausgangs­lage.

Schritte gegen den MINT-Fachkräftemangel

Folgende Maßnahmen sollten von einer Allianz aus Politik, Wirt­schaft, Wissen­schaft und Zivil­ge­sell­schaft ergriffen werden, um entlang der gesamten Bildungs­kette die MINT-Bildung zu stärken und damit der MINT-Fach­kräf­te­lücke entge­gen­zu­steuern:

  • Potenziale der Frauen heben: Durch eine klischeefreie Berufs- und Studienorientierung, weibliche Role Models und Mentoringprogramme sollten mehr junge Frauen für MINT gewonnen werden.
  • Potenziale der Älteren aktivieren: Die Transformation erfordert eine zunehmende Weiterbildung von MINT-Kräften. Von der Digitalisierung betroffene Unternehmen investieren daher vermehrt in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang sollten Hochschulen ihre berufsbegleitenden Studiengänge ausweiten und mehr Angebote zur akademischen Weiterbildung machen. Zudem sollte der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für einen späteren Renteneintritt verbessern, um MINT-Fachkräfte länger im Arbeitsleben zu halten.
  • Potenziale der Zuwanderung erschließen: Die Potenziale des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sollten durch schnellere bürokratische Prozesse besser gehoben werden. Besonders attraktiv ist ferner die Zuwanderung über die Hochschule, da ein hoher Anteil der Absolventinnen und Absolventen aus demografiestarken Drittstaaten stammt und in akademischen MINT-Berufen arbeitet.
  • Chancen im Bildungssystem verbessern: Um die MINT-Kompetenzen zu erhöhen und Bildungschancen zu verbessern, sollte die frühkindliche Bildung gestärkt, hochwertige Ganztagsangebote ausgebaut, Sprach- und Leseförderung intensiviert und zusätzliche, über einen Sozialindex differenzierte, Mittel zur individuellen Förderung der Kinder und Jugendlichen zur Verfügung gestellt werden. Das Startchancenprogramm sollte evaluiert und erfolgreiche Modelle auf weitere Schulen ausgeweitet werden.
  • Digitale MINT-Bildung voranbringen: Die digitale Bildung sollte in der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung gestärkt und digitale Lehrangebote weiterentwickelt werden. Digitale Medienbildung sollte bereits in der Vorschule und das Fach Informatik ab der Primarstufe eingeführt werden. Die digitale Mündigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen eines übermäßigen privaten Medienkonsums, sollte gestärkt werden. Ferner sind zur Stärkung der MINT-Bildung Maßnahmen entlang der gesamten Bildungskette zu entwickeln und außerschulische Angebote zu stärken. Die Motivation zum Mathematikunterricht und die Lernatmosphären sind zu verbessern.
  • Zur Sicherung der Qualität des Unterrichts an Schulen ist die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Lehrkräften sicherzustellen. Zur Unterstützung der Lehrkräfte, etwa auch zum erfolgreichen Voranbringen digitaler Konzepte, sollten multiprofessionelle Teams ausgebaut werden.

Der MINT-Report wird zweimal jährlich vom Institut der deutschen Wirt­schaft Köln erstellt. Die Studie entsteht im Auftrag folgender Mitglieder des Nati­o­nalen MINT Forums: Bundes­ver­ei­ni­gung der Deutschen Arbeit­ge­ber­ver­bände, Arbeit­ge­ber­ver­band Gesamt­me­tall und MINT Zukunft schaffen.