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„Jeder zweite Wähler will eine Mitte-rechts-Politik.“

Regie­rungs­bil­dung

Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf im SZ-Gespräch über Zölle, Autos, das Unternehmerbild und den Stand der Koalitionsverhandlungen:

Sind die Zölle von US-Präsident Donald Trump der Todesstoß für die kriselnde deutsche Auto­mo­bil­branche?

Nein, das ist nicht der Fall, aber es ist eine weitere massive Belastung der deutschen Auto­mo­bil­in­dus­trie und bedroht natürlich viele Arbeits­plätze. Umso wichtiger ist die unver­züg­liche Verbes­se­rung der Stand­ort­be­din­gungen in Deut­sch­land, um auch diese Krise zu meistern.

Kann man mit Trump überhaupt noch verhan­deln?

Er ist ein Mensch, der Stärke versteht. Die künftige Bundes­re­gie­rung und Europa insgesamt müssen deshalb mit Selbst­be­wusst­sein auftreten. Wir müssen gegenüber den USA stärker werden, wirt­schaft­lich und sicher­heits­po­li­tisch. Sonst werden wir zwischen den Macht­blö­cken China und USA zerrieben.

Hat Elon Musk Trump das mit den Zöllen einge­flüs­tert, um Tesla zu retten?

Zumindest Tesla hat sich ja gegen Zölle ausge­spro­chen. Ich glaube nicht, dass das der ameri­ka­ni­schen Auto­mo­bil­in­dus­trie nutzt. Im Gegenteil: Zölle schaden und kosten Wachstum. Zölle schaden also auch Tesla.

Die Koali­ti­ons­ver­hand­lungen in Deut­sch­land sind in der entschei­denden Phase. Bisher konnte die SPD viel durch­setzen. Ist das ange­messen nach einem Wahl­er­gebnis von nur 16,4 Prozent?

Ich hielte das nicht für ange­messen und wäre auch etwas über­rascht. Manche in der Führung der SPD scheinen nicht verstanden zu haben, in welcher Situation sich dieses Land befindet. Unsere Industrie ist in einer Rezession, wir verlieren Arbeits­plätze – in den vergan­genen Monaten bereits mehr als 100.000 allein in der Metall- und Elektro-Industrie. Das Produk­ti­ons­vo­lumen liegt immer noch 17 Prozent unter dem Niveau von 2018. 17 Prozent! Die Stand­ort­be­din­gungen sind so schlecht geworden. Wir haben zu viel Büro­kratie, wir haben viel zu hohe Ener­gie­preise, wir haben viel zu hohe Unter­neh­mens­steuern und viel zu hohe Arbeits­kosten, einschließ­lich der Sozi­a­l­ver­si­che­rungs­bei­träge. Fast 50 Prozent haben Union oder AfD gewählt. Jeder zweite Wähler will eine Mitte-rechts-Politik. Aber wie es scheint, bekommen sie eine Mitte-links-Politik.

CDU-Chef Friedrich Merz hat im Wahlkampf etwas ganz anderes verspro­chen. Fühlen Sie sich getäuscht?

Das würde ich nicht sagen. Wenn man Verant­wor­tung übernimmt, ergeben sich Dinge, die dann dazu führen, dass man viel­leicht anders entscheidet. Höhere Ausgaben für Bundes­wehr und äußere Sicher­heit sind absolut sinnvoll. Es ist auch klar, dass wir in der Infra­s­truktur etwas machen müssen, damit wir nicht noch mehr den Anschluss verlieren und viel­leicht noch weniger wett­be­werbs­fähig werden. Die 100 Milli­arden Euro für den Klima­schutz hätte ich nicht gemacht. Und die Klima­neu­tra­lität 2045 im Grund­ge­setz zu erwähnen, halte ich für einen Riesen­fehler. Aber es ist auch klar: Die Unter­nehmen brauchen jetzt im Koali­ti­ons­ver­trag ein deut­li­ches Signal für den verspro­chenen Poli­tik­wechsel, um die Dein­dus­tri­a­li­sie­rung zu stoppen. Ohne eine stabile Wirt­schaft gibt es keine stabile Regierung.

Die 100 Milli­arden Euro waren ein Zuge­ständnis an die Grünen. Wenn Merz schon vor denen einknickt, wie will er dann mit Xi Jinping, Wladimir Putin und Donald Trump verhan­deln?

Merz ist ein durch­set­zungs­starker Typ. Er hat extrem gute Führungs­qua­li­täten und er hat klare Vorstel­lungen. Wenn er die Regierung führt, wird er auch klare Entschei­dungen treffen.

Die SPD dagegen feiert sich dafür, dass sie vieles durch­setzen kann, sie hofft auch auf 15 Euro Mindest­lohn.

Da kann ich nur sagen: Finger weg, SPD, von der Tarif­au­to­nomie! Die Politik darf sich nicht in die Arbeit der Mindest­lohn­kom­mis­sion einmi­schen, die soll das unab­hängig festlegen. Wenn die Politik die Mindest­lohn­kom­mis­sion nach 2021 nochmals über­steuert, ist die Mindest­lohn­kom­mis­sion politisch tot.

Wenn Sie sich als Unter­neh­mer­lob­byist eine Steu­er­re­form von Schwarz-Rot wünschen könnten, wie würde sie aussehen?

Wir brauchen den Einstieg in eine Unter­neh­mens­steu­er­re­form zum 1. Januar 2026 mit einer Senkung der Unter­neh­mens­steuern von 30 auf maximal 25 Prozent. Forschungs- und Entwick­lungs­kosten müssen größen­klas­sen­u­n­ab­hängig steu­er­lich gefördert werden. Es braucht auch eine Verein­fa­chung, auch bei der Einkom­men­steuer. Und der Soli­da­ri­täts­zu­schlag muss jetzt politisch voll­ständig abge­schafft werden.

Steu­er­sen­kungen kosten Milli­arden. Wo würden Sie dafür kürzen?

Der Staat braucht eine Rosskur. Als Bundes­kanzler würde ich das zur Chefsache machen und jedem Minis­te­rium bestimmte Beträge vorgeben, die gekürzt werden müssen. Wenn wir entbü­ro­kra­ti­sieren und alles einmal durch­gehen, können wir viele Milli­arden einsparen. Aus meinen gebur­ten­starken Jahr­gängen gehen jetzt so viele in den Ruhestand, darin liegt eine einmalige Chance in der Verwal­tung, sozi­a­l­ver­träg­lich zu weniger Personal zu kommen.

Jeder Baby­boomer, der in Rente geht, wird durch die KI ersetzt?

Wenn wir verschlanken und umor­ga­ni­sieren, müssen wir viel weniger neues Personal einstellen.

Den Pfle­ge­kassen geht das Geld aus, die Gesund­heits­kosten steigen, die SPD will die Renten schneller erhöhen: Wie stark lässt Schwarz-Rot die Sozi­a­l­ab­gaben noch steigen?

Wir brauchen sofort ein Paket zur Stabi­li­sie­rung des Gesamt­s­o­zi­a­l­ver­si­che­rungs­bei­trages, sodass ein noch weiterer Anstieg von Januar 2026 an verhin­dert wird. Es darf also keinerlei Leis­tungs­aus­wei­tungen der Sozi­a­l­ver­si­che­rungen geben oder diese müssen kompen­siert werden. Zudem müssen die Sozi­a­l­ver­si­che­rungs­bei­träge in dieser Legis­la­tur­pe­riode wieder auf maximal 40 Prozent zurück­ge­führt werden, unter anderem durch eine große Orga­ni­sa­ti­ons­re­form der Sozi­a­l­ver­si­che­rung.

Was muss sich aus Ihrer Sicht in der Ener­gie­po­litik ändern?

Die Ener­gie­kosten sind auch viel zu hoch. Die Netzent­gelte und die Strom­steuer müssen dauerhaft runter. Ich würde prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, kleine, kompakte Kern­kraft­werke zu bauen. Und der Kohle­ausstieg ist nicht zu halten, auch das Jahr 2038 ist vermut­lich zu ambi­tio­niert. Ich glaube nicht, dass bis dahin erneu­er­bare Energien alles abdecken können, wenn wir durch die Elek­tro­mo­bi­lität viel mehr Strom benötigen.

E-Autos sollen mit Kohle­strom fahren? Das ist klima­po­li­tisch mindes­tens kurios.

Das ergibt keinen Sinn, deshalb bin ich auch dafür, dass wir noch länger mit Verbren­nungs­mo­toren fahren können. Das Verbren­ner­verbot 2035 auf EU-Ebene muss weg.

Sie wollen das Verbren­neraus um fünf Jahre verschieben, um die deutsche Auto­in­dus­trie zu schonen?

Wenn es bei 2035 bleibt, haben wir 2033 und 2034 eine wahn­sin­nige Sonder­kon­junktur für Verbrenner. Das gilt analog auch fünf Jahre später. Es darf kein festes Datum für ein Verbren­ner­verbot geben.

Ist das ein Trick, um den Verbrenner zu retten?

Das können am Ende sowieso nur die Kunden entscheiden. Bislang wollen diese aus verschie­denen Gründen in der Mehrheit keine Elek­tro­autos. Ich sage nur: Wenn Plan A nicht funk­tio­niert, weil die Kunden es nun einmal nicht wollen, muss ich einen Plan B haben. Und Verbrenner mit klima­neu­tralen E-Fuels sind besser als Elek­tro­autos mit Kohle­strom.

Über Tote sollte man nur positiv reden: Was war denn eine gute Sache, die die verflos­sene Ampel­re­gie­rung hinbe­kommen hat?

Sie hat die Schul­den­bremse einge­halten. Viel mehr fällt mir ehrlich gesagt nicht ein. Die Ampel­ko­a­li­tion hat oftmals nicht mehr auf die soziale Markt­wirt­schaft, sondern mehr auf die Plan­wirt­schaft gesetzt. Sie hat uns Bürgern beim Heizungs­ge­setz und der Elek­tro­mo­bi­lität vorge­geben, anstatt auf die Entschei­dung des Marktes zu setzen. Und im Ergebnis lief das dann völlig am Verbrau­cher vorbei.

Man kann die Indus­trie­po­litik der Ampel für völlig verfehlt halten, aber der Begriff „Plan­wirt­schaft“ ist doch wegen des Bezugs zur DDR-Diktatur nicht ange­messen.

Auch in anderen Ländern gibt es heute noch Plan­wirt­schaft. Das Problem ist: Sie hat nie zum Erfolg geführt, wie das Beispiel der DDR zeigt. Länder, die auf die soziale Markt­wirt­schaft gesetzt haben, mit klarer unter­neh­me­ri­scher Verant­wor­tung, sind immer besser gefahren. Aber viele in der Politik haben noch immer das alte Bild vom Unter­nehmer als Ausbeuter, vor dem man die Menschen schützen muss. Das entspricht schon seit 80 Jahren nicht mehr der Realität. Wer heute ein Ausbeuter ist, der bekommt keine Mita­r­beiter mehr.

Die Maßstäbe, was Ausbeu­tung ist, haben sich in 80 Jahren verändert. Manche zählen heute auch Über­stunden dazu.

Das ist wirklich keine Ausbeu­tung, weil wir alle wieder mehr arbeiten müssen. Wir haben mit die kürzesten Arbeits­zeiten weltweit und konkur­rieren gleich­zeitig mit Ländern wie Indien oder China. Ein junger, gut ausge­bil­deter Infor­ma­tiker aus dem indischen Bengaluru, der etwas erreichen will, hat kein Problem damit, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Wir brauchen auch bei uns ein anderes Denken, dass Arbeit Erfüllung bringt und Spaß macht.

Das lässt sich wahr­schein­lich leichter sagen, wenn man wie Sie im Job Millionen verdient hat.

Ich habe meine Berufs­lauf­bahn nicht als CEO begonnen. Lohn ist wichtig, keine Frage. Aber Arbeit ist viel mehr als Geld. Sie ist auch sinn­stif­tend und bringt Erfolg, und wer viel arbeitet, hat meistens auch mehr Erfolg. Menschen brauchen Erfolg, sei es im Beruf, im Sport oder als Künstler auf der Bühne.