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„Praxisfremde EU-Lieferkettenrichtlinie jetzt stoppen!“

Büro­kra­ti­sche Über­las­tungen und neue Rechts­un­si­cher­heit

In einem gemein­samen Schreiben an die Bundes­re­gie­rung, die EU-Rats­prä­si­dent­schaft sowie weitere euro­pä­i­sche Entschei­dungs­träger fordern die Wirt­schafts­or­ga­ni­sa­ti­onen BGA, Gesamt­me­tall, Mittel­stands­ver­bund – ZGV, Stiftung Fami­li­en­un­ter­nehmen und Politik, textil+­mode, VCI, VDMA und ZVEI, die euro­pä­i­sche Liefer­ket­ten­richt­linie zu stoppen. In Kürze steht die Abstim­mung der Botschafter im Ausschuss der Ständigen Vertreter und danach das Votum des Rates der EU-Mitglied­s­taaten an. „Schon die Vorgaben durch das deutsche Liefer­ket­ten­ge­setz haben dazu geführt, dass auch kleine und mittlere Unter­nehmen innerhalb ihrer Liefer­be­zie­hungen von den Belas­tungen völlig überrollt werden. Eine EU-Liefer­ket­ten­richt­linie, wie nun geplant, hätte büro­kra­ti­sche Über­las­tungen und Rechts­un­si­cher­heit in einer neuen Dimension zur Folge“, warnen die Verbände. Die Richt­linie erschwere den Außen­handel und gehe zu Lasten euro­pä­i­scher Arbeits­plätze und Wert­schöp­fung.

Dies gelte insbe­son­dere mit Blick auf drei Aspekte der Richt­linie:

  • Unternehmen sollen demnach fast alle Stufen ihrer Lieferketten global auf Verstöße gegen Menschenrechte sowie Umwelt- oder Sozialstandards kontrollieren. Gerade Industriefirmen haben häufig jeweils Zehntausende oder sogar eine sechsstellige Zahl von Zulieferern, von denen jährlich ein beträchtlicher Anteil wechselt. Die Kosten allein zur Befolgung der Vorgaben würden für einzelne Unternehmen nicht selten Millionensummen erreichen.
  • Die Richtlinie macht keine klaren Ausnahmen – nicht einmal für die Lieferbeziehungen innerhalb des ohnehin schon stark regulierten EU-Binnenmarkts. Eine explizite Ausnahme aller im EU-Binnenmarkt ansässiger Zulieferer und Kunden wäre – als Gebot eines risikobasierten Ansatzes – aber dringend geboten.
  • Nicht nur Lieferanten und deren Lieferanten sollen laut den EU-Plänen kontrolliert werden, sondern auch Geschäftskunden. Es ist jedoch eine völlig realitätsfremde Annahme, dass mittelständische Betriebe ihren Geschäftskunden Vorschriften machen könnten, wie und wo die verkauften Produkte letztendlich zum Einsatz kommen.

Deutliche Kritik üben die Verbände auch an der vorge­se­henen zivil­recht­li­chen Haftung. „Es ist schlicht praxis­fremd zu verlangen, dass Unter­nehmen aus den EU-Mitglied­s­taaten für Pflicht­ver­let­zungen haften sollen, die in ihren Liefer­ketten geschehen – und dies noch weltweit“, heißt es in dem Appell. Während Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­onen von eigenen Klage­be­fug­nissen profi­tieren sollen, können auf Unter­nehmen zusätz­liche Bewei­san­for­de­rungen zukommen. „Auf diese Weise können die oft unkal­ku­lier­baren Haftungs­ri­siken dazu führen, dass sich Unter­nehmen aus betrof­fenen Regionen zurück­ziehen“, warnen die Verbände. Es würde eine neue Klage­in­dus­trie entstehen, die zu mehr admi­nis­tra­tiven Kosten in den Unter­nehmen führt. Die Unsi­cher­heit im Außen­handel nähme zu.

Dabei ist die Wahrung der Menschen­rechte rund um den Globus ein Ziel, dem sich auch die Unter­nehmen eindeutig verschreiben. „Die UN-Leit­prin­zi­pien für Wirt­schaft und Menschen­rechte sind für euro­pä­i­sche Unter­nehmen maßgebend. Daran orien­tieren sie schon heute ihre globalen Liefer­be­zie­hungen und tragen euro­pä­i­sche Standards über ihre inter­na­ti­o­nalen Partner in die Welt“, betonen die Verbände. Euro­pä­i­sche Unter­nehmen nun aber unter Gene­ra­l­ver­dacht zu stellen, würde sich in der Praxis als kontra­pro­duktiv erweisen, „der ökono­mi­sche Substanz­ver­lust in der EU würde sich durch eine solche Liefer­ket­ten­richt­linie weiter verschärfen“, heißt es. „Lassen Sie uns anstatt des Weges über die Richt­linie gemeinsam einen neuen Anlauf nehmen und im Dialog mitein­ander überlegen, auf welche Weise wir unsere Standards beim Schutz von Menschen­rechten und Umwelt über die globalen Liefer­ketten weltweit noch effek­tiver durch­setzen können“, resü­mieren die Wirt­schafts­or­ga­ni­sa­ti­onen.