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Arbeitszeit

Spätes­tens nach den Entschei­dungen des Euro­pä­i­schen Gerichts­hofs vom 14. Mai 2019 und des Bundes­a­r­beits­ge­richts vom 13. September 2022 zur Arbeits­zei­t­er­fas­sung steht die Frage nach einer Reform des Arbeits­zeit­rechts auf der poli­ti­schen Tages­ord­nung.

Präsentation der Arbeitszeitgutachten auf der BPK / Foto © Gesamtmetall
Foto: Gesamtmetall; Präsentation der Arbeitszeitgutachten auf der BPK

Gesamt­me­tall hat daher drei renom­mierte Profes­soren gebeten, sich mit aktuellen Fragen des Arbeits­zeit­rechts ausein­an­der­zu­setzen, insbe­son­dere auch vor dem Hinter­grund der Vorstöße des Euro­pä­i­schen Gerichts­hofs und jüngst auch des Bundes­a­r­beits­ge­richts zur Verschär­fung der Pflichten zur Erfassung von Arbeits­zeiten.

Die Gutachten wurden im Rahmen einer Bundes­pres­se­kon­fe­renz am 7. Februar 2023 der Öffent­lich­keit vorge­stellt. Es handelt sich um

  • ein personalwirtschaftliches Gutachten zum Wert flexibler Arbeitszeitmodelle und den Gefahren von Einschränkungen unter der Federführung von Prof. Dr. Stowasser (Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft in Düsseldorf);
  • ein rechtswissenschaftliches Gutachten zu den Grenzen europäischer Umsetzungspflichten für den deutschen Gesetzgeber von Prof. Dr. Thüsing (Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) sowie
  • ein weiteres rechtswissenschaftliches Gutachten zu den unionsrechtlichen Mindestvorgaben zur Ausgestaltung eines Systems der Arbeitszeiterfassung auch im Kontext der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Prof. Dr. Höpfner (Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln).

Die Gutachten belegen eindrucks­voll, dass eine umfas­sende Arbeits­zei­t­er­fas­sung für alle Beschäf­tigten auch nach den Entschei­dungen aus Luxemburg und Erfurt keines­wegs zwingend ist, sondern statt­dessen eine Flexi­bi­li­sie­rung des Arbeits­zeit­rechts geboten und auch rechtlich möglich wäre.

Diese Erkennt­nisse und Reali­täten verkennt das Bundes­mi­nis­te­rium für Arbeit und Soziales bisher voll­ständig. Der im April 2023 bekannt gewordene erste Arbeits­ent­wurf des Arbeits­mi­nis­te­riums zur Arbeits­zeitauf­zeich­nung ist ein Katalog an Büro­kratie, Wider­sprüch­lich­keiten und Fort­s­chritts­ver­wei­ge­rung. Anders als immer wieder verspro­chen und jetzt behauptet, will das Arbeits­mi­nis­te­rium die Vertrau­ens­a­r­beits­zeit offen­sicht­lich abschaffen, obwohl der Koali­ti­ons­ver­trag genau das Gegenteil vorsieht. Die Ansamm­lung von Maxi­mal­po­si­ti­onen deutet darauf hin, dass hier keine schnelle, prag­ma­ti­sche und für die heutige Arbeits­welt ange­mes­sene Regelung will.

Eine Reform des Arbeits­zeit­rechts erfordert aus Sicht Gesamt­me­talls ein Gesamt­kon­zept, das die Spiel­räume der euro­pä­i­schen Arbeits­zei­tricht­linie umfassend nutzt, ohne den notwen­digen Schutz der Beschäf­tigten aus dem Auge zu verlieren. Konkret heißt das:

  • Eine einvernehmlich und freiwillig vereinbarte Vertrauensarbeitszeit muss von einer minutengenauen Erfassung der Arbeitszeit ausgenommen bleiben. Der Koalitionsvertrag ist hier beim Wort zu nehmen und durch eine entsprechende Vereinbarungslösung bürokratiearm umzusetzen.
  • Die Regelungen zur Höchstarbeitszeit müssen im Einklang mit der Arbeitszeitrichtlinie von einer Tageshöchstarbeitszeit auf eine Wochenhöchstarbeitszeit umgestellt werden. Keiner soll deswegen länger arbeiten müssen, aber man soll die Arbeit besser innerhalb der Woche verteilen dürfen.
  • Flankierend muss die geltende Ruhezeitregelung mit einer unbeschränkten Öffnungsklausel für die Tarifpartner erweitert werden.

Eine filmische Zusam­men­fas­sung der Vorstel­lung der Gutachten finden Sie hier:

Vier-Tage-Woche

Die Vier-Tage-Woche wurde noch vor wenigen Monaten als Revo­lu­tion der Arbeits­welt gefeiert, doch die anfäng­liche Euphorie ist verflogen. Warum? Die Realität bringt Ernüch­te­rung, Theorie ist nicht Praxis. Auch ein groß ange­legtes Expe­ri­ment sollte die angeb­li­chen Vorteile einer Vier-Tage-Woche zeigen. Beim genaueren Hinsehen offenbart sich jedoch: Viele Thesen der Befür­worter der Vier-Tage-Woche sind durch die Ergeb­nisse nicht gestützt. Und: Alle bishe­rigen Expe­ri­mente zur Vier-Tage-Woche haben gemeinsam, dass Sie sind dazu geeignet, einen Beweis zu erbringen, dass das Konzept ein gesamt­wirt­schaft­lich sinn­voller Ansatz ist.