Mindestlohn
Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland stieg zum 1. Januar 2021 auf 9,82 Euro je Stunde. Zum 1. Juli 2022 ist eine weitere Erhöhung auf 10,45 Euro geplant. Diese stufenweise Anhebung entspricht den Vorgaben der unabhängigen Mindestlohnkommission, in deren Hände die Politik ausdrücklich die Findung des Mindestlohns gelegt hatte.
Die neue Bundesregierung hat eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro im Jahr 2022 angekündigt. Zwar ist die M+E-Industrie eine Hochlohnbranche – mit einem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von über 27 Euro zahlen wir Entgelte weit über dem Mindestlohn. Eine pauschale Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro ist jedoch aus mehreren Gründen regelwidrig und nicht zielführend.
Bei einer Anhebung des Mindestlohnes auf 12 Euro würde die Steigerung seit der Einführung des Mindestlohns mit 41 Prozent erheblich stärker ausfallen als die Produktivität je Erwerbstätigenstunde im gleichen Zeitraum. Ein solcher Kostensprung käme in der aktuellen Wirtschaftskrise zur Unzeit und würde gerade im Niedriglohnbereich erhebliche Arbeitsplatzverluste provozieren.
Zudem hat der Gesetzgeber bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns bewusst eine paritätisch besetzte Mindestlohnkommission eingesetzt, die mit Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften besetzt ist. Im Rahmen einer Gesamtabwägung prüft sie, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden. Das ist ihr gesetzlicher und unabhängiger Auftrag, der von den politischen Verantwortlichen bei der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2014 ausdrücklich garantiert wurde. Die nunmehr geplante politische Festsetzung des Mindestlohns konterkariert dieses bewährte System.
Noch gravierender sind die massiven Auswirkungen einer politisch motivierten Mindestlohnanhebung auf die Tarifautonomie. Bei einer Anhebung auf 12 Euro wird eine große Anzahl der geltenden Tarifverträge obsolet. Der Gesetzgeber greift mit seinem Vorhaben in 58 laufende Entgelttarifverträge verschiedenster Branchen ein und setzt 185 tarifliche Entgeltgruppen unmittelbar außer Kraft. Aufgrund des Lohnabstandsgebots hat ein solcher Eingriff jedoch auch mittelbare Folgen, weil dadurch das Lohngitter der jeweiligen Branche zwangsläufig nach oben gedrückt wird. Hieraus ergibt sich insgesamt ein erheblicher Eingriff in die Lohnfindung, der den Tarifvertragsparteien ihren verfassungsrechtlich garantieren Gestaltungsspielraum in ihrem ureigensten Aufgabengebiet nimmt. Ein solcher politischer Eingriff führt im Ergebnis zu einer weiteren Erosion der Tarifbindung. Der Anreiz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sich in Verbänden und Gewerkschaften zu organisieren, wird weiter gesenkt.