Europa / Internationales

Schwerpunkte der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft

Schwerpunkte der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft

Tschechische Ratspräsidentschaft

Foto: Tschechische EU-Ratspräsidentschaft (EU2022.cz)

Am 01.07.2022 hat die Tschechische Republik die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Unter dem Motto „Europa als Aufgabe“ möchte der tschechische Vorsitz im Ministerrat in den kommenden sechs Monaten die EU-Politik mitgestalten.

Tschechien fokussiert sich im kommenden halben Jahr auf fünf Bereiche:

  • Bewältigung der Flüchtlingskrise und Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg
  • Sicherheit der Energieversorgung,
  • Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten Europas und Sicherheit im Cyberspace
  • Strategische Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft
  • Widerstandsfähigkeit demokratischer Institutionen

Besondere Anstrengungen wird die tschechische Präsidentschaft Fragen der Energieversorgungssicherheit der EU widmen. Im Programm heißt es dazu, „die Bedeutung der Energieversorgungssicherheit übersteige derzeit die der Energiewende und es liege ein Schwerpunkt bei der Kernenergie, um Energieversorgungssicherheit und die Verwirklichung der EU-Klimaziele zu erreichen.“ Das wichtigste kurzfristige Ziel der Ratspräsidentschaft bei der Dekarbonisierung ist es, die Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern. Das im März 2022 von der Kommission dazu vorgelegte Projekt REPowerEU soll entsprechend beschleunigt umgesetzt werden. Darüber hinaus würdigt die tschechische Ratspräsidentschaft den Stellenwert der Verfügbarkeit von strategischen Rohstoffen und Komponenten für Unternehmen. Die tschechische Präsidentschaft will sich weiterhin darauf konzentrieren, den Abschluss von Handelsabkommen mit demokratischen Staaten zu beschleunigen und die transatlantische Zusammenarbeit im Rahmen des Handels- und Technologierates EU-USA (TTC) zu vertiefen.

Vorhaben im Bereich Sozialpolitik werden zwar nicht prioritär erwähnt, aber einige laufende Gesetzgebungsverfahren fallen in die Zeit der tschechischen Ratspräsidentschaft und werden entsprechend weitergeführt. Hier ist in erster Linie die Richtlinie zur Plattformarbeit zu nennen. Die Ratspräsidentschaft werde sich bei dem Dossier dafür einsetzen, eine Einigung auf eine gemeinsame Position der Mitgliedstaaten zu erreichen. Zusätzlich wurde angekündigt, dass die Ratspräsidentschaft die Diskussionen zur für den September von der Kommission angekündigten Ratsempfehlung zu angemessenen Mindesteinkommen beginnen will. Dabei werde Tschechien darauf achten, “dass die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.“  Darüber hinaus sollen die Diskussionen zur Entgelttransparenz-Richtlinie weitergeführt werden. Ambitionen, dieses sich bereits im Trilog befindliche Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss zu bringen, werden im Programm nicht aufgeführt. Zur EU-Lieferketten-Richtlinie, die im Wettbewerbsfähigkeitsrat verhandelt wird, will Tschechien eine Positionierung im Rat erreichen – aber unter der Prämisse, „ein Gleichgewicht zwischen den angestrebten Zielen und dem Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu gewährleisten“.

Explizit mit dem Blick auf die Auswirkungen des Ukrainekrieges, der COVID-Pandemie und nicht marktkonformer Praktiken Chinas soll gerade die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und der Industrie ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit im nächsten halben Jahr sein. „Als eines der am stärksten industrialisierten Länder der EU wird die Tschechische Republik die Widerstandsfähigkeit der EU-Industrie und ihrer Lieferketten als Schlüsselkomponente der strategischen Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft hervorheben“.

Hinsichtlich der Bildungspolitik werden sich die Fachminister am 22. Und 23. September informell zur Erwachsenen- und Weiterbildung im Rahmen des Grünen und Digitalen Wandels austauschen.  Kurz vor der Weihnachtspause, am 08.12., findet das einzige Treffen des Rates für Beschäftigung, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) unter tschechischem Vorsitz statt.

Den Forderungen nach Änderung der EU-Verträge im Kontext der im Mai abgeschlossenen Konferenz zur Zukunft Europas steht die aktuelle Ratspräsidentschaft – im Gegensatz zur Präsidentschaft Frankreichs im ersten Halbjahr – wenig offen gegenüber. Man wolle die Diskussionen über die Ergebnisse der Konferenz zwar fortführen, allerdings „unter voller Beachtung der Kompetenzverteilung der EU-Institutionen“.