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Europäische und internationale Sozialpolitik

Gesamt­me­tall ist auf euro­pä­i­scher und inter­na­ti­o­naler Ebene aktiv. Über unser Brüsseler Büro stehen wir in einem regen Austausch mit den Vertre­tern der EU-Insti­tu­ti­onen. Darüber hinaus pflegen wir eine enge Koope­ra­tion mit den Verbin­dungs­büros unserer Mitglieds­ver­bände und den Unter­nehmen der Metall- und Elektro-Industrie, der BDA, dem euro­pä­i­schen M+E-Arbeit­ge­ber­da­ch­ver­band Ceemet sowie unseren Schwes­ter­ver­bänden in anderen EU-Staaten.

Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Sitz der Europäischen Kommission / Foto © AdobeStock/VanderWolf Images
Foto: Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Sitz der Europäischen Kommission

Erwartungen an die künftige EU-Sozialpolitik

Der EU-Sozi­al­po­litik sind durch Artikel 153 des Vertrags über die Arbeits­weise der EU (AEUV) enge Grenzen gesetzt.  Die EU soll die Tätig­keiten der Mitglied­s­taaten in dem Bereich nur unter­stützen und ergänzen – keines­falls ersetzen! Darüber hinaus sieht Artikel 153 vor, dass „unter Ausschluss jeglicher Harmo­ni­sie­rung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitglied­s­taaten“ „Min­dest­vor­schriften erlassen (werden dürfen), die schritt­weise anzu­wenden sind. Diese Richt­li­nien sollen keine verwal­tungs­mä­ßigen, finan­zi­ellen oder recht­li­chen Auflagen vorschreiben, die der Gründung und Entwick­lung von kleinen und mittleren Unter­nehmen entge­gen­stehen.“  Zu den Bereichen Arbeits­ent­gelt, Koali­ti­ons­recht, Streik­recht und Aussper­rungs­recht schließt Absatz 5 des Artikels 153 zudem jegliche EU-Kompetenz aus.

Leider gab es in den letzten Jahren zahl­reiche EU-Gesetz­ge­bungs­i­n­i­tia­tiven, die die Grenzen von Artikel 153 AEUV dehnen oder gar über­schreiten. Die proble­ma­tischste Initia­tive war zwei­fellos die EU-Mindest­lohn-Richt­linie, in der wir einen klaren Verstoß gegen den Kompe­tenzaus­schluss zu Entgelt­fragen sehen. Auf Betreiben Dänemarks ist gegen diese Richt­linie auch ein Verfahren am Euro­pä­i­schen Gerichtshof anhängig.

Weiterhin gehen zahl­reiche Richt­li­nien – wie z.B. die Entgelt­trans­pa­renz-Richt­linie oder die Platt­form­a­r­beits-Richt­linie – deutlich über beste­hende nationale Vorgaben hinaus. Von „Mindest­vor­schriften, die schritt­weise anzu­wenden sind“ kann daher keine Rede sein.

Insgesamt ist der Trend zu beob­achten, dass EU-Gesetz­ge­bung immer häufiger beste­hende und bewährte nationale Gesetz­ge­bung ersetzt. Dies ist der Fall bei der Entgelt­trans­pa­renz-Richt­linie, die Ände­rungen des deutschen Entgelt­trans­pa­renz­ge­setzes erzwingt oder bei der Richt­linie zu einer ausge­wo­ge­neren Vertre­tung von Frauen und Männern in Leitungs­or­ganen von Unter­nehmen. Zumindest wurden bei letzterer die beste­henden deutschen Rege­lungen anerkannt. Aber der seit der Verkün­dung der – rechtlich völlig unver­bind­li­chen – Euro­pä­i­schen Säule sozialer Rechte anhal­tende Trend, dass euro­pä­i­sche Rege­lungen immer häufiger in Konkur­renz zu nati­o­nalen Rege­lungen treten, ist auch hieran abzulesen.  Ein effi­zi­entes Zusam­men­spiel der verschie­denen poli­ti­schen Ebenen im Sinne des Subsi­dia­ri­täts­prin­zips wird damit immer schwie­riger. Das unter­gräbt zugleich die Glaub­wür­dig­keit der EU.

Last not least: Die EU-Politik ist immer stärker von Miss­trauen gegenüber Arbeit­ge­bern und Unter­nehmen geprägt. Gesetz­ge­bungs­i­n­i­tia­tiven orien­tieren sich nicht mehr am Gros der sich geset­ze­s­treu verhal­tenden Unter­nehmen sondern machen Miss­brauchs­fälle zum Maßstab für neue Regeln und über­ziehen die Unter­nehmen damit mit strengen Regeln, die zu sehr viel unnötiger Büro­kratie führen. Als Beispiele für solche Miss­brauchs-Gesetz­ge­bung seien die Entsende-Richt­linie, die Platt­form­a­r­beits-Richt­linie, die Liefer­ketten-Richt­linie CSDDD und der Vorschlag einer (Schein-)Praktika-Richt­linie genannt.

Im Sinne von Artikel 153 AEUV setzen wir uns daher mit Blick auf die künftige EU-Sozialpolitik für Folgendes ein:

  • EU-Initiativen im Sozialbereich müssen einen klaren europäischen Mehrwert haben. Das Ziel, bestehende nationale Vorgaben zu verschärfen, kann schlichtweg nicht ausreichen.
  • Die Kompetenzausschlüsse in der EU-Sozialpolitik nach Artikel 153 Absatz 5 AEUV müssen ernst genommen und befolgt werden. Wir warten daher mit Spannung auf das Urteil des  EuGH hinsichtlich der Klage Dänemarks gegen die EU-Mindestlohn-Richtlinie.
  • Die Vorgabe des AEUV, dass EU-Sozialgesetzgebung kleine und mittlere Unternehmen in ihrer Entwicklung nicht behindern darf, muss stärker in der Praxis umgesetzt werden.  Jeder künftige Legislativvorschlag muss sich an dieser Vorgabe messen lassen. Dazu sollten die kommissionsinternen Folgenabschätzungen und die Überprüfungen durch den Ausschuss für Regulierungskontrolle („Regulatory Scrutiny Board“) deutlich stärker auf einen entsprechenden „KMU-Test“ ausgerichtet werden. Nur wenn negative Folgen für KMUs zweifelsfrei ausgeschlossen werden können, darf die Richtlinie auch tatsächlich vorgeschlagen werden.
  • Alle Vorschläge müssen mit Blick auf ihre Auswirkungen auf die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und auf die Attraktivität des Investitionsstandortes Europa hin auf den Prüfstand gestellt werden.
  • Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in ihren politischen Leitlinien für 2024 – 2029 alle Kommissionsmitglieder aufgefordert, „sich auf Bürokratieabbau und einfachere Umsetzung zu konzentrieren: weniger Verwaltungsaufwand und Berichterstattung, mehr Vertrauen, bessere Durchsetzung, schnellere Genehmigungen“. Im Sinne dieser Forderung muss die Kommission einen vertrauensbasierten Politikansatz zum Grundprinzip ihres Handelns machen. Gesetzgebung muss sich künftig wieder primär am Gros der gesetzeskonformen Unternehmen orientieren, leicht umsetzbar sein, klare Sanktionen bei Missbrauch und eine strenge Überwachung durch die Behörden vorsehen. Damit könnte viel überflüssige Bürokratie eingespart werden.