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Praktikumsrichtlinie

Die Euro­pä­i­sche Kommis­sion hat am 20. März 2024 einen Entwurf für eine Richt­linie zur Verbes­se­rung und Durch­set­zung der Arbeits­be­din­gungen von Prak­ti­kanten vorgelegt. Der Entwurf soll zudem für als Praktika getarnte „reguläre Arbeits­ver­hält­nisse“ Geltung entfalten. Die soge­nannte „Prak­ti­kums­richt­linie“ soll also, falls sie verab­schiedet wird, nach dem Willen der Kommis­sion „einen gemein­samen Rahmen von Grund­sätzen und Maßnahmen zur Verbes­se­rung der Arbeits­be­din­gungen von Prak­ti­kanten und zur Bekämp­fung von Schein­prak­tika“ schaffen. Dazu sollen die Mitglied­s­taaten dafür sorgen, dass Prak­ti­kanten keine schlech­tere Entloh­nung und keine schlech­teren Arbeits­be­din­gungen erhalten als regulär Beschäf­tigte am selben Arbeits­platz, es sei denn, dies ist objektiv gerecht­fer­tigt. Zudem sollen die Behörden der Mitglied­s­taaten durch Inspek­ti­onen und Kontrollen verhin­dern, dass reguläre Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisse als Praktika „getarnt“ werden. Parallel dazu wird die Empfeh­lung des Rates von 2014 zum Quali­täts­rahmen für Praktika über­a­r­beitet. Beide Vorhaben sollen inein­an­der­greifen.  

Praktikumsrichtlinie / Foto © AdobeStock/Guenter Menzl
Foto © AdobeStock/Guenter Menzl

Unter polni­scher Rats­prä­si­dent­schaft haben sich die Mitglied­s­taaten am 19. Juni mit knapper quali­fi­zierter Mehrheit auf eine gemein­same Position („All­ge­meine Ausrich­tung“) zur geplanten EU-Prak­ti­kums­richt­linie geeinigt. Deutschland, Spanien, Slowenien, Öster­reich und Tsche­chien stimmten dem Text nicht zu. Während Spanien und Slowenien den Text als zu wenig ambi­tio­niert kriti­sierten, lehnt die Bundes­re­gie­rung die Richt­linie weiterhin grund­sätz­lich ab – sie sieht keinen Mehrwert und warnt vor zusätz­li­chen Belas­tungen für Unter­nehmen, die Praktika erschweren könnten.  

Was sieht der Rat vor?

Der Anwen­dungs­be­reich soll deutlich einge­schränkt werden: Erfasst werden sollen nur frei­wil­lige Praktika auf dem offenen Arbeits­markt, sofern sie nicht Teil formaler Bildungs­pro­gramme oder arbeits­markt­po­li­ti­scher Maßnahmen sind. Pflicht­prak­tika blieben ausge­nommen. Auch soge­nannte Schein­prak­tika – also faktische Arbeits­ver­hält­nisse, die als Praktikum dekla­riert werden – sollen erfasst werden. Die ursprüng­lich von der Kommis­sion vorge­schla­gene Indi­ka­to­ren­liste zur Erkennung solcher Fälle soll jedoch deutlich gekürzt und fakul­tativ ausge­staltet werden.  
Zudem sollen Unter­nehmen künftig Infor­ma­ti­ons­pflichten erfüllen und Behörden Kontroll­mög­lich­keiten erhalten – etwa durch Arbeits­in­spek­ti­onen oder Beschwer­de­me­cha­nismen.  

Verfahren im Europäischen Parlament

Am 23. September 2025 hat der Beschäf­ti­gungs­aus­schuss (EMPL) des Euro­pä­i­schen Parla­ments über seinen Bericht zur Prak­ti­kums­richt­linie abge­stimmt.  

Der Bericht sieht u. a. nur begrenzte Ausnahmen vom Anwen­dungs­be­reich vor: Pflicht­prak­tika im Rahmen von Studium oder Ausbil­dung sowie Berufs­aus­bil­dungen sollen ausge­nommen bleiben – alle übrigen Praktika sollen hingegen erfasst werden. Damit geht das Parlament deutlich über die Position der Mitglied­s­taaten hinaus. Neu vorge­sehen ist zudem ein verbind­li­cher schrift­li­cher Vertrag, der vor Beginn des Prak­ti­kums abge­schlossen werden muss und Angaben zu Dauer, Vergütung, Lern­zielen sowie Rechten und Pflichten enthält. Praktika ohne Vergütung, Lern­kom­po­nente oder Betreuung sollen künftig als miss­bräuch­lich gelten.  

Darüber hinaus wurde die im Kommis­si­ons­vor­schlag enthal­tene Möglich­keit gestri­chen, Prak­ti­kanten aus „objek­tiven Gründen“ unter­schied­lich zu behandeln (z. B. nach Aufga­ben­kom­ple­xität oder Verant­wor­tung). Die neuen Erwä­gungs­gründe verweisen statt­dessen auf ein EuGH-Urteil, wonach Trainees unter den Arbeit­neh­mer­be­griff fallen können – eine Entwick­lung, die auf eine weitere Anglei­chung von Prak­ti­kanten an reguläre Beschäf­tigte hinaus­läuft.  

Aktuell laufen die Kompro­miss­ver­hand­lungen zwischen Parlament, Rat und Kommis­sion zur finalen Richt­linie. Ange­sichts der sehr unter­schied­li­chen Posi­ti­onen der Insti­tu­ti­onen sind komplexe und lang­wie­rige Verhand­lungen zu erwarten.  

Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht

Aus Arbeit­ge­ber­sicht enthält die Parlaments­po­si­tion erheb­liche Verschär­fungen im Vergleich zum Kommis­si­ons­vor­schlag und zur Rats­po­si­tion. Der ohnehin zu weit gefasste Anwen­dungs­be­reich bleibt bestehen, und neue Pflichten – etwa der verbind­liche Prak­ti­kums­ver­trag, zusätz­liche Indi­ka­toren für Schein­prak­tika oder weit­rei­chende Doku­men­ta­ti­ons­auf­lagen – würden die Büro­kratie und Rechts­un­si­cher­heit deutlich erhöhen. Viele Unter­nehmen dürften ihre Prak­ti­kums­an­ge­bote einschränken oder einstellen, insbe­son­dere frei­wil­lige Praktika.  

Zudem ist kritisch, dass nach dem Parla­ments­be­richt die Möglich­keit einer diffe­ren­zierten Behand­lung auf objek­tiven Gründen (wie Aufga­ben­kom­ple­xität, Verant­wor­tung oder Lern­kom­po­nente) entfällt. Wichtig bleibt, dass der Begriff „pay“ nach nati­o­nalem Recht definiert wird und dass kollek­tive Ausge­stal­tungen zulässig bleiben. Nach Artikel 153 Absatz 5 AEUV besitzt die EU im Bereich Arbeits­ent­gelt keine Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz – Entgelt­fragen liegen in der Zustän­dig­keit der Mitglied­s­taaten und ihrer Sozi­al­partner.  

Für Deutschland bringt die Richt­linie keinen Mehrwert, da ein ausge­reiftes nati­o­nales System mit klaren Rege­lungen (Berufs­bil­dungs­ge­setz, Mindest­lohn­ge­setz, tarif­liche Standards) bereits besteht. Eine zusätz­liche EU-Vorgabe würde hier mehr Probleme schaffen, als sie löst. Die Ablehnung dieser Gesetz­ge­bungs­i­n­i­tia­tive durch die Bundes­re­gie­rung wird daher von Gesamt­me­tall klar begrüßt.