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Tarifautonomie und Tarifgeltung

Die Tarif­au­to­nomie steht immer wieder im Fokus poli­ti­scher Debatten. Aus einer histo­ri­schen Perspek­tive heraus und mit aktuellen Beispielen wird gezeigt, welchen Angriffen das Erfolgs­mo­dell Tarif­au­to­nomie in über 100 Jahren ausge­setzt war und noch heute ausge­setzt ist. Auch stellen die Autoren die Bedeutung der Tarif­au­to­nomie als tragende Säule der Sozialen Markt­wirt­schaft heraus und zeigen, wie sie über die Zeit hinweg legi­ti­miert und von Politik und Gesell­schaft als legitime Insti­tu­tion angesehen wurde. Dabei wird eine juris­ti­sche Perspek­tive mit einer ökono­misch-sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Sicht­weise verbunden.

Buch 'Tarifautonomie und Tarifgeltung: Zur Legitimation und Legitimität der Tarifautonomie im Wandel der Zeit'
Buch ‚Tarifautonomie und Tarifgeltung: Zur Legitimation und Legitimität der Tarifautonomie im Wandel der Zeit‘

Besonders umstritten ist, wie die Tarif­au­to­nomie gestärkt und wie die Tarif­bin­dung erhöht werden kann. Unser Grund­ge­setz ist da eindeutig. Arbeit­geber, Arbeit­nehmer, Verbände und Gewerk­schaften regeln selbst­be­stimmt Tarife und Arbeits­be­din­gungen. Der Staat hat sich heraus­zu­halten. Dieses Prinzip mit Verfas­sungs­rang wird trotz seiner langen und erfolg­rei­chen Geschichte häufig ange­griffen.

Die Tarif­au­to­nomie bewirkt, dass Arbeits­be­din­gungen nicht indi­vi­duell durch den einzelnen Arbeit­nehmer mit dem Arbeit­geber verhan­delt werden. Vielmehr verhan­delt die Gewerk­schaft mit dem Arbeit­geber oder einem Arbeit­ge­ber­ver­band. Damit können Arbeits­be­din­gungen fair und austa­riert geregelt werden. Die Tarif­au­to­nomie garan­tiert den Arbeit­neh­mern einer­seits gute Arbeits­be­din­gungen, die die Arbeit­geber ande­rer­seits nicht über­lasten und die Arbeit­ge­be­rat­trak­ti­vität steigern. Gleich­zeitig sorgt der Flächen­ta­rif­ver­trag, der nicht mit dem einzelnen Arbeit­geber, sondern dem jewei­ligen Arbeit­ge­ber­ver­band einer Branche verhan­delt wird, dafür, dass Vertei­lungs­kon­flikte aus den Betrieben heraus­ge­halten werden und dass innerhalb der Wert­schöp­fungs­kette weit­ge­hend ohne Störungen produ­ziert werden kann.

Für eine soziale Balance in der Gesellschaft

Man kann mit Recht sagen, dass sich diese Art, soziale Balance zwischen Arbeit­neh­mern und Arbeit­ge­bern zu schaffen, in Deut­sch­land bewährt hat, und das bereits seit über 100 Jahren. Die Tarif­au­to­nomie wurde 1918 mit dem Stinnes-Legien-Abkommen insti­tu­ti­o­na­li­siert, 1933 von den Nati­o­nal­so­zi­a­listen abge­schafft, 1949 in West­deut­sch­land wieder­be­lebt, zudem verfas­sungs­recht­lich garan­tiert und schließ­lich 1990 auf Ostdeut­sch­land ausge­weitet.

Seit Jahr­zehnten trägt sie damit zum sozialen Ausgleich in einer freien Markt­wirt­schaft bei und ist so zu einer tragenden Säule der Sozialen Markt­wirt­schaft, des äußerst erfolg­rei­chen deutschen Gesell­schafts- und Wirt­schafts­mo­dells, geworden.

Trotzdem wurde und wird immer wieder kontro­vers über die Tarif­au­to­nomie debat­tiert. Die Kritik entzündet sich beispiels­weise an ausufernden Tarif­kon­flikten und und den schweren Schäden, die daraus auch für Dritte entstehen, ihren betriebs- und volks­wirt­schaft­li­chen Folgen sowie der Komple­xität von Tarif­ver­trägen.

Welche Rolle soll der Staat spielen?

Aktuell wird insbe­son­dere die abneh­mende Tarif­bin­dung, d.h. die sinkenden Mitglie­der­zahlen bei Arbeit­ge­ber­ver­bänden und Gewerk­schaften, beklagt. Daher wird immer häufiger gefragt: Muss der Staat nicht sogar eingreifen, wenn in einer Branche nur eine geringe Tarif­bin­dung besteht oder umgekehrt Tarif­kon­flikte ausarten, wie zum Beispiel zuletzt im Bahn­streik kurz vor der Bundes­tags­wahl? Oder hat er sich dennoch komplett heraus­zu­halten? Welche Eingriffe sind mögli­cher­weise sinnvoll?

In der Analyse zeigt sich, dass Maßnahmen beispiels­weise, die lediglich eine Auswei­tung der Tarif­gel­tung bezwecken, wie die Auswei­tung der Allge­mein­ver­bind­lich­er­klä­rung, die Probleme der rück­läu­figen Tarif­bin­dung nicht lösen und sogar zur Erosion der Tarif­au­to­nomie beitragen, weil sie für die vom Tarif­ver­trag erfassten Arbeit­nehmer jeden Anreiz besei­tigen, in die Gewerk­schaft einzu­treten. Zur Stärkung der Tarif­au­to­nomie muss vielmehr auf Instru­mente gesetzt werden, die die Tarif­bin­dung attraktiv machen, ohne dabei die negative Koali­ti­ons­frei­heit einzu­schränken.

Letztlich ist aber fest­zu­halten, dass trotz wieder­holter Versuche, die Tarif­au­to­nomie der Tarif­ver­trags­par­teien einzu­schränken, sich der Kern der Tarif­au­to­nomie bis heute behauptet hat.

Das Buch, das vom Arbeit­ge­ber­ver­band Gesamt­me­tall heraus­ge­geben wurde, können Sie hier bestellen.