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Tariftreue

Mit dem geplanten Bunde­s­t­a­rift­reu­e­ge­setz will das Bundes­a­r­beits­mi­nis­te­rium (BMAS) die Vergabe öffent­li­cher Aufträge an die Einhal­tung tarif­li­cher Arbeits­be­din­gungen knüpfen. Ziel sei es, die Tarif­bin­dung in Deutschland zu stärken. Doch der Gesetz­ent­wurf verfehlt dieses Ziel deutlich – und schafft statt­dessen neue Probleme.

Denn: Das Gesetz greift tief in die Tarif­au­to­nomie ein, verur­sacht erheb­liche Büro­kra­tie­kosten und benach­tei­ligt selbst Unter­nehmen, die bereits tarif­ge­bunden sind – etwa durch Haus­ta­rif­ver­träge. Besonders betroffen wären kleine und mittel­stän­di­sche Betriebe, die bislang noch einen großen Teil der öffent­li­chen Aufträge erhalten.

Tariftreuegesetz
© generative KI by Midjourney

Kritikpunkte im Überblick:

  • Verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken: Der Entwurf verletzt nach Einschätzung renommierter Juristen zentrale Grundrechte wie die Koalitionsfreiheit und die europäische Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.
  • Benachteiligung tarifgebundener Unternehmen: Auch Betriebe mit eigenen Haustarifverträgen sowie tarifanwendende Unternehmen müssten sich an fremde Flächentarifverträge halten – ein eklatanter Widerspruch zur Idee der Tarifautonomie. 
  • Bürokratische Überforderung: Die Umsetzung würde Unternehmen mit einem Wust an neuen Pflichten konfrontieren – von der Tariftreueerklärung und deren konkreter Umsetzung bis zur weitreichenden Nachunternehmerhaftung.
  • Unklare Rechtsbegriffe und Umsetzungslücken: Der Entwurf lässt viele Fragen offen – etwa zur Definition von Nachunternehmern, zur Anwendung auf Lieferleistungen und zur konkreten Berechnung der zu gewährenden Entlohnung.
  • Zweifelhafte Zielsetzung: Es gibt keine belastbaren Daten, dass nicht tarifgebundene Unternehmen bei der Vergabe bevorzugt würden. Das Gesetz bekämpft ein Problem, das empirisch nicht belegt ist.

Unsere Forderungen:

  • Alle tarifanwendenden Unternehmen privilegieren: Unternehmen, die Haus- oder räumlich und fachlich einschlägige Branchentarifverträge anwenden, müssen vom Gesetz ausgenommen werden – wie bereits vom Normenkontrollrat gefordert.
  • Schwellenwerte deutlich anheben: Die Anwendung des Gesetzes sollte erst ab höheren Auftragswerten greifen, um unnötige Bürokratie bei kleineren Vergaben zu vermeiden – wie bereits in Ländern wie Sachsen-Anhalt und Thüringen jüngst erfolgreich umgesetzt. 
  • Lieferleistungen streichen: Der Geltungsbereich des Gesetzes muss auf öffentliche Bau- und Dienstleistungen beschränkt bleiben. Die Einbeziehung von Lieferleistungen ist nicht praxisgerecht und sollte ersatzlos entfallen – eine Forderung, die auch der Bundesrat aktuell unterstützt.
  • Entlohnungsbegriff einschränken: Es ist erforderlich, die Entlohnung im Sinne des Gesetzes auf das Einstiegsgehalt der untersten tariflichen Entgeltgruppe ohne Zulagen und Sonderzahlungen zu beschränken. Zusätzlich muss auch bei der Entlohnung gelten, dass diese nicht für Aufträge festgesetzt werden, für die eine Auftragsdauer von nicht mehr als zwei Monaten vereinbart oder geschätzt worden ist.
  • Rechtssicherheit beim Nachunternehmereinsatz schaffen: Die Ausweitung des Tariftreueversprechens auf Nachunternehmer führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und Bürokratie. 
  • Evaluierungspflicht im Gesetz verankern: Das Gesetz muss zeitnah und gründlich auf seine Wirkung und Belastung hin überprüft werden.

Das Bunde­s­t­a­rift­reu­e­ge­setz ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Es schafft keine neue Tarif­bin­dung, sondern schreckt Unter­nehmen durch zusätz­liche Büro­kratie ab. Statt­dessen braucht es moderne, attrak­tive Tarif­ver­träge – nicht staat­li­chen Zwang.