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Tarifvertragssystem

Nach deutschem Recht hat ein Arbeit­geber drei Möglich­keiten, Entgelte, Arbeits­zeiten und alle anderen wichtigen Arbeits­be­din­gungen zu regeln:

Tarifvertragssystem / Foto © AdobeStock/izzuan
Foto © AdobeStock/izzuan
  • Einzelvertrag: Der Arbeitgeber erstellt individuelle Arbeitsverträge oder fasst sie in größeren Firmen zu umfassenden Regelwerken („Allgemeine Arbeitsbedingungen“) zusammen, die Bestandteil der individuellen Arbeitsverträge sind. Einzelne Bestimmungen dieses Regelwerks, wie die Lohnhöhe, werden zumeist im jährlichen Rhythmus angepasst. Andere Inhalte – wie die Arbeitszeiten oder die betriebliche Altersversorgung – werden nur bei Bedarf neu festgelegt.
  • Firmentarifvertrag: Der Arbeitgeber tritt als Tarifpartner auf und handelt mit der für seine Branche zuständigen Gewerkschaft einen Firmentarifvertrag aus. Er muss je nach vereinbarter Laufzeit neu verhandelt werden. Eine häufige Form des Firmentarifvertrags besteht darin, dass der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft vereinbart, die für die Branche abgeschlossenen Flächentarifverträge anzuerkennen.
  • Flächentarifvertrag: Der Arbeitgeber entledigt sich durch den Beitritt in einen Arbeitgeberverband mit Tarifbindung nahezu aller Regelungsaufgaben. Der Betrieb nutzt den für seine Branche und in seiner Region zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft ausgehandelten Flächentarifvertrag als sein eigenes Regelwerk. Der Flächentarifvertrag wird von den Tarifpartnern in den vereinbarten Abständen neu verhandelt.

Betriebs­ver­ein­ba­rungen, die von Betriebs­lei­tung und Betriebsrat ausge­han­delt werden, sind unzu­lässig, sofern es um Dinge geht, die übli­cher­weise in Tarif­ver­trägen enthalten sind. Diese Vorfahrts­regel für den Tarif­ver­trag befindet sich im § 77 Abs. 3 des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setzes, und sie gilt generell – also auch für nicht tarif­ge­bun­dene Betriebe.

Flächen­ta­rif­ver­träge gelten nur für dieje­nigen Unter­nehmen, die Mitglied im Tarif-Arbeit­ge­ber­ver­band sind – und die Mita­r­beiter, die der Gewerk­schaft angehören. In der Praxis aber werden diese Bedin­gungen meist auch für die nicht orga­ni­sierten Ange­hö­rigen der Beleg­schaft über­nommen. So gilt beispiels­weise für die Mehrheit der Mita­r­beiter in der Metall- und Elektro-Industrie der Flächen­tarif.

Konkret werden die Tarif­ver­träge nach dem Bran­chen­prinzip ausge­han­delt – nicht nach dem Berufs­prinzip. Das bedeutet, dass etwa die IG Metall für alle tariflich bezahlten Arbeit­nehmer verhan­delt, die in der Metall- und Elektro-Industrie beschäf­tigt sind – also auch für die Köche in der Kantine oder die LKW-Fahrer und Pförtner.

Ein wesent­li­ches Merkmal des Flächen­ta­rif­ver­trages ist die einheit­liche Regelung von Mindest­be­din­gungen und die Frie­dens­pflicht. Grob gefaßt bedeutet dies, dass den Tarif­ver­trags­par­teien jegliche Arbeits­kampf­maß­nahme verboten ist, während ein Tarif­ver­trag noch gültig ist. Solange ein Tarif­ver­trag läuft, können die Unter­nehmen ohne Streiks und Aussper­rungen produ­zieren. Diese störungs­freien Abläufe sind gerade in Zeiten hoch­in­te­grierter Wirt­schafts­kreis­läufe wichtig. Zudem trägt der Flächen­ta­rif­ver­trag dadurch zur Sicherung des Betriebs­frie­dens bei, entlastet Unter­nehmen und Beleg­schaften von der Aushand­lung der Arbeits­be­din­gungen und bietet eine zuver­läs­sige Planungs­grund­lage. Er basiert auf dem Prinzip der Soli­da­rität und der Part­ner­schaft­lich­keit. Diese Prin­zi­pien sind Teil unserer poli­ti­schen Kultur und gelten erst recht in wirt­schaft­lich schwie­rigen Zeiten.

Der Preis für diese Vorteile ist vielfach zu hoch geworden. Absch­lüsse oberhalb des Produk­ti­vi­täts­zu­wachses und die kollek­tive Arbeits­zeit­ver­kür­zung ohne ausrei­chende Flexi­bi­lität haben dafür gesorgt, daß der Flächen­tarif für viele Firmen eine unbe­zahl­bare Last im Kampf um Aufträge geworden ist – und immer mehr Unter­nehmen sich ihm in Teil­be­rei­chen oder ganz entziehen. Viele wählen den Weg, Arbeits­plätze ins Ausland zu verlagern. Sie gehen dorthin, wo die Lohn- und Lohn­zu­satz­kosten geringer sind, und dorthin, wo mehr Flexi­bi­lität die konse­quente Orien­tie­rung an den Bedürf­nissen der Kunden ermög­licht.

Kernstück von Tarif­ver­trägen sind die Vorschriften über Entgelt und Ausbil­dungs­ver­gü­tungen. Die Fest­set­zung dieser „Tarife“ hat dem Tarif­ver­trag seinen Namen gegeben. Doch die Tarif­ver­träge enthalten inzwi­schen eine Fülle von Rege­lungen, die den Inhalt von Arbeits­ver­trägen betreffen. Dazu gehören unter anderem:

  • Entgeltgruppen
  • Lohnformen (Zeit- und Leistungslohn)
  • Zulagen und Zuschläge (Mehrarbeit, Nachtarbeit, Schichtarbeit usw.)
  • Prämien, Erfolgsbeteiligungen u.ä.
  • Urlaub, Urlaubsgeld, Urlaubsentgelt
  • Arbeitszeit
  • Arbeitsbereitschaft
  • Kurz- und Mehrarbeit
  • Nebentätigkeiten
  • Alterslohnsicherung
  • Haftungsbeschränkungen
  • Arbeitsgestaltung
  • Bestimmungen über den Beginn des Arbeitsverhältnisses (Einstellung, Probezeit, etc.)
  • Bestimmungen über das Ende des Arbeitsverhältnisses (Zeugniserteilung, Form der Kündigung, Kündigungsfristen)

Einige dieser Rege­lungen werden in jeder Tarif­runde neu verhan­delt – wie etwa die Einkom­men­s­ent­wick­lung. Andere Bestim­mungen haben eine wesent­lich längere Laufzeit.

Dement­spre­chend gibt es unter­schied­liche Typen von Tarif­ver­trägen – im wesent­li­chen sind dies:

  • Entgelttarifverträge: Geregelt sind hier Entgelte und Ausbildungsvergütungen, Zuschläge und Zulagen. Diese laufen meistens ein Jahr, gelegentlich auch länger.
  • Rahmentarifverträge: Hier werden die Grundsätze der Entlohnung geregelt sowie die Einstufung der Mitarbeiter in die vielen Entgeltgruppen. Solche Verträge gelten für einen längeren Zeitraum.
  • Manteltarifverträge: Hier werden vor allem jene Fragen geregelt, die die Arbeitszeit betreffen – etwa Länge und Lage der Arbeitszeit, Urlaubsdauer u.ä. Auch diese Verträge werden in der Regel langfristig abgeschlossen.
  • Besondere Tarifverträge: Diese regeln von Fall zu Fall besondere Elemente.