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Zeitarbeit

Wir haben und brauchen auch in Zukunft starke Stamm­be­leg­schaften. Die Firmen brauchen aber ein Mindestmaß an Flexi­bi­lität in der Perso­nal­pla­nung, um die zuneh­menden Schwan­kungen der Märkte ausglei­chen zu können. Dabei spielen befris­tete Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisse und Zeit­a­r­beit eine wichtige Rolle – sie sind Flexi­bi­li­täts­puffer für die Betriebe und zugleich Sprung­brett auf einen festen Arbeits­platz.

Befristete Beschäftigung und Zeitarbeit / Foto © BOMAG GmbH
Foto: BOMAG GmbH

In ganz Deut­sch­land liegt der Anteil der Zeit­a­r­beiter bei 2,2 Prozent. Jeder vierte Zeit­a­r­beiter ist in M+E-Berufen tätig. Weitere wichtige Einsatz­felder sind Logistik (34 Prozent) sowie kauf­män­ni­sche und Verwal­tungs­be­rufe (12 Prozent). Dabei sind 95 Prozent der Zeit­a­r­beiter in sozi­a­l­ver­si­che­rungs­pflich­tigen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nissen tätig. 78 Prozent davon arbeiten in Vollzeit.

Deshalb sollte Zeit­a­r­beit nicht als „atypisch“ bezeichnet oder gar als „prekär“ diffa­miert werden: Zeit­a­r­beit ist eine sozi­a­l­ver­si­che­rungs­pflich­tige Stamm­be­schäf­ti­gung mit vollem Kündi­gungs­schutz, Urlaub und Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall. Sie wird fast ausschließ­lich nach DGB-Tarif­ver­trägen bezahlt und ermög­licht vor allem Arbeits­losen und gering Quali­fi­zierten den (Wieder-)Einstieg in den Arbeits­markt. Zudem gibt es für den Einsatz in der Metall- und Elektro-Industrie zwischen Zeit­a­r­beit­ge­bern und Gewerk­schaften verein­barte Tarif­ver­träge, die gestaf­felte Zuschläge bereits nach der 6. Einsatz­woche vorsehen. Dazu haben nach den Tarif­ver­trägen der M+E-Industrie Zeit­a­r­beit­nehmer nach 24 Monaten Einsatz­zeit das grund­sätz­liche Recht auf ein Über­nah­me­an­gebot.

In der M+E-Industrie waren im Jahres­mittel 2017, in der Hochphase des Konjunk­tur­booms, rund 290.000 Zeit­a­r­beit­nehmer beschäf­tigt. Gemessen an den Beschäf­tigten entsprach das 6,9 Prozent. Über­durch­schnitt­lich viele Zeit­a­r­beiter wurden dabei in den Feri­en­mo­naten Juni bis September einge­setzt. Aufgrund der vers­te­tigten konjunk­tu­rellen Entwick­lung konnten viele Zeit­a­r­beit­nehmer von ihrem Einsatz­be­trieb über­nommen werden, sodass die Quote 2018 auf 6,4 Prozent sank. Zeit­a­r­beit erwies sich damit als wichtiges Rekru­tie­rungs­in­stru­ment und führte zu keiner Verdrän­gung der Stamm­be­leg­schaft. So stieg die Anzahl der Stamm­be­schäf­tigten in der M+E zwischen 2013 und 2018 um 370.000 auf über 4 Millionen Beschäf­tigte, während die Anzahl der M+E-Zeit­a­r­beiter in beiden Jahren bei 270.000 lag.

Infolge der verschärften Rege­lungen sowie der Rezession 2019 und des Wirt­schaft­s­ein­bruchs in der Corona-Krise sank die Anzahl der Zeit­a­r­beiter in der M+E bis 2020 auf nur noch 186.000, was einem Anteil von 4,5 Prozent aller Beschäf­tigten entsprach. Mit der Norma­li­sie­rung der Produk­tion erholte sich die Zahl der Zeit­a­r­beiter wieder schneller als die Stamm­be­leg­schaft. Im zweiten Halbjahr 2022 betrug die Anzahl der M+E-Zeit­a­r­beiter wieder knapp 200.000, was einem Anteil von 5 Prozent aller Beschäf­tigten entspricht. Gerade in Zeiten großer konjunk­tu­reller Unsi­cher­heiten ist für die Unter­nehmen dieses Flexi­bi­li­sie­rungs­in­stru­ment also von zentraler Bedeutung.

Mit Blick auf die jahre­lange poli­ti­sche Ausein­an­der­set­zung um Zeit­a­r­beit und Werk­ver­träge erwarten die M+E-Arbeit­geber von den Gewerk­schaften sowie der Politik, dass an den bewährten Flexi­bi­li­sie­rungs­in­stru­menten nicht weiter gerüttelt wird. Das grund­sätz­liche Bekenntnis der Ampel-Koalition zur Zeit­a­r­beit als elemen­taren Bestand­teil eines funk­tio­nie­renden Arbeits­markts ist daher zu begrüßen. Bei der im Koali­ti­ons­ver­trag in Aussicht gestellten Prüfung des Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­ge­setzes im Fall eines durch den Euro­pä­i­schen Gerichtshof fest­ge­stellten Ände­rungs­be­darfs muss Augenmaß gelten, denn Zeit­a­r­beit bleibt ein unver­zicht­barer und nicht verhan­del­barer Bestand­teil für die Perso­nal­po­litik der Unter­nehmen. Zeit­a­r­beit könnte zudem einen wichtigen Beitrag für eine effektive Arbeits­mi­gra­tion bilden, wenn die Rege­lungen für den Einsatz auslän­di­scher Beschäf­tigter in etablierten Zeit­a­r­beits­firmen gelockert werden würden.