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Top-Ökonomen warnen vor wirtschaftlichen Schäden für Unternehmen durch zu strenge EU-Lieferkettengesetzgebung

Berlin/Brüssel. Nachdem Deut­sch­land im vergan­genen Jahr sein Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz verab­schiedet hat, hat nun auch die Euro­pä­i­sche Kommis­sion ihren Entwurf für eine „Richt­linie über Nach­hal­tig­keits­pflichten von Unter­nehmen“ vorgelegt. Doch eine zu strenge Liefer­ket­ten­ge­setz­ge­bung birgt erheb­liche wirt­schaft­liche Risiken für die betrof­fenen Unter­nehmen. Zu diesem Ergebnis kommt die heute im Rahmen einer Online-Diskus­si­ons­ver­an­stal­tung vorge­stellte Studie zur ökono­mi­schen Bewertung eines Liefer­ket­ten­ge­setzes im Auftrag von Gesamt­me­tall.

Darin haben sich unter anderen Prof. Dr. Gabriel Felber­mayr vom Öster­rei­chi­schen Institut für Wirt­schafts­for­schung Wien (WIFO) und Prof. Dr. Alexander Sandkamp vom Kiel Institut für Welt­wirt­schaft (IfW Kiel) mit den möglichen Auswir­kungen einer strengen Gesetz­ge­bung von Sorg­falts­pflichten von Unter­nehmen in ihrer Liefer­kette beschäf­tigt. Das deutsche Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz und ähnliche, noch weiter­ge­hende Initia­tiven auf EU-Ebene sind daher als proble­ma­tisch einzu­stufen. Die zentralen Ergeb­nisse:

  • Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird für Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen insbesondere in ärmeren Ländern mit schwachen Institutionen zusätzliche Kosten und Risiken schaffen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass deutsche Unternehmen die Zahl der Zulieferer aus diesen Ländern reduzieren oder sich ganz aus diesen Ländern zurückziehen werden.
  • Reduzieren nun deutsche Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen mit Drittländern mit besonders problematisch vermuteten Arbeitsverhältnissen, schwächt dies die entwicklungsfördernde Einbindung dieser Unternehmen in globale Wertschöpfungsketten, was zu einer Verringerung des Pro-Kopf-Einkommens in ärmeren Ländern führen kann.
  • Daher sollte eine gute Lieferketten-Gesetzgebung die effektiven Handelskosten mit ärmeren Ländern nicht erhöhen, um negative Effekte vor Ort zu vermeiden. Die Studie schlägt daher einen sogenannten „Negativlistenansatz“ vor, das heißt die Sanktionierung von ausländischen Unternehmern, die Menschenrechte missachten. Das wäre kostengünstiger und würde effektiver zur Stärkung der Menschenrechte in Drittländern beitragen.

Gesamt­me­tall-Haupt­ge­schäfts­führer Oliver Zander: „Die Studie belegt, was ein Liefer­ket­ten­ge­setz, egal ob in Deut­sch­land oder auf euro­pä­i­scher Ebene, für die Unter­nehmen in der Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie) bedeutet: vor allem ein Sammel­su­rium von 27 nati­o­nalen Liefer­ket­ten­ge­setzen in der EU, massive Büro­kratie, Kosten­stei­ge­rungen und erheb­liche Risiken für ihre welt­weiten Geschäfts­be­zie­hungen und Liefer­ketten. Die ambi­tio­nierten Vorgaben für deutsche Unter­nehmen würden durch den Vorschlag einer Liefer­ketten-Richt­linie durch die Euro­pä­i­sche Kommis­sion ja nochmals erheblich verschärft. Es ist schlicht absurd, dass sie kurz nach dem Start der Pflichten aus dem deutschen Gesetz alles schon wieder umstellen müssen, um den noch weniger erfüll­baren Vorgaben der Richt­linie irgendwie Genüge zu tun. Dabei sehen sich die M+E-Unter­nehmen schon jetzt in einer beispiellos schwie­rigen wirt­schaft­li­chen Lage.“

Prof. Dr. Alexander Sandkamp (IfW Kiel): „Eine strenge Regelung zu Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflichten hätte nach der von uns erstellten Studie nicht nur höhere Büro­kra­tie­kosten für die euro­pä­i­schen Unter­nehmen zur Folge. Sollten sich diese Unter­nehmen deshalb auch noch gezwungen sehen, sich aufgrund von Haftungs­ri­siken von Zulie­fe­rern in ärmeren Ländern zu trennen, hätte dies auch negative Auswir­kungen auf diese Zulie­ferer, selbst wenn keine Menschen­rechts­ver­let­zungen auftreten. Schlimms­ten­falls führt dies zu einer Verrin­ge­rung des Pro-Kopf-Einkom­mens in den betrof­fenen Ländern.“

Prof. Dr. Gabriel Felber­mayr (WIFO): „Gerade der Vorschlag der EU-Kommis­sion für eine euro­pä­i­sche Liefer­ketten-Richt­linie wird das Haftungs­ri­siko für euro­pä­i­sche Unter­nehmen deutlich erhöhen, beispiels­weise aufgrund der darin veran­kerten zivil­recht­li­chen Haftung von Unter­nehmen für Dritte. Damit wird das Rück­zugs­sze­nario von Unter­nehmen aus diesen Ländern sehr real. Zudem würde die globale Wett­be­werbs­fä­hig­keit der euro­pä­i­schen Unter­nehmen gegenüber Konkur­renten geschwächt, die aus Ländern ohne vergleich­bare Regu­lie­rung kommen.“