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Überregulierung schwächt Investitionsstandort Deutschland

Veran­stal­tung zur Büro­kratie

Verbände mit Vorschlägen zum Bürokratieabbau: Gemeinsames Symposium „Weniger Bürokratie wagen! Wie Regulierung und Standortsicherung gemeinsam gelingen!“

Die deutsche Büro­kratie hat sich inzwi­schen von einem Ärgernis zu einem hand­festen Stand­ort­nach­teil entwi­ckelt. Darauf weisen Orga­ni­sa­ti­onen der Wirt­schaft im Rahmen eines gemein­samen Sympo­siums hin und fordern von der Bundes­re­gie­rung ein konse­quentes Belas­tungs­mo­ra­to­rium auf allen Ebenen – auch in Brüssel. Wenige Tage, bevor der Refe­ren­ten­ent­wurf eines Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setzes IV erwartet wird, haben der Bundes­ver­band Groß­handel, Außen­handel, Dienst­leis­tungen (BGA), Arbeit­ge­ber­ver­band Gesamt­me­tall, die Stiftung Fami­li­en­un­ter­nehmen und Politik und der VDMA gemeinsam Politik, Unter­nehmer und Wissen­schaft zum Austausch einge­laden.

Dr. David Deißner, Geschäfts­führer der Stiftung Fami­li­en­un­ter­nehmen und Politik, unter­strich die Dramatik für den Standort Deut­sch­land. „Wie massiv die gegen­wär­tige Regu­lie­rung den Inves­ti­ti­ons­s­tandort Deut­sch­land schwächt, zeigt der Länderindex der Stiftung Fami­li­en­un­ter­nehmen. Nach den Berech­nungen des ZEW Mannheim ist die Bundes­re­pu­blik im Vergleich unter 21 Indus­trie­na­ti­onen auf Platz 18 abge­rutscht. In der Kategorie ‚Regu­lie­rung‘ reicht es gerade noch für Platz 19. Deut­sch­land musss digitaler, schlanker und schneller werden, um mit anderen Wirt­schafts­na­ti­onen mithalten zu können.“

Beim Symposium wurde deutlich, welche Belas­tungen die aktuelle Über­re­gu­lie­rung für die heimische Wirt­schaft mit sich bringt. Es wurden Nachteile im inter­na­ti­o­nalen Wett­be­werb aufge­zeigt und gemein­same Lösungs­an­sätze disku­tiert. Die Veran­stalter signa­li­sierten der Regie­rungs­ko­a­li­tion ihre Unter­stüt­zung beim Vorhaben eines wirkungs­vollen Abbaus büro­kra­ti­scher Belas­tungen am Standort Deut­sch­land. Büro­kra­tie­abbau sei in Zeiten rück­läu­figen Wachstums ein kosten­loses Konjunk­tur­pro­gram. Weitere Kern­for­de­rungen aus der Debatte lauten: Neue Gesetze und Verord­nungen müssen anwen­der­o­ri­en­tiert ausge­staltet werden und vor Verab­schie­dung durch Unter­neh­men­s­prak­tiker auf Umsetz­bar­keit geprüft werden; die deutsche ‚One in, one out‘-Regel muss konse­quent auf die Umsetzung von EU-Rechts­akten ausge­weitet werden; zugleich muss der unge­min­derte Zufluss neuer, meist klein­tei­liger Berichts- und Infor­ma­ti­ons­pflichten gestoppt werden.

Dabei erkennt die Wirt­schaft an, dass die Politik Verbes­se­rungen erreichen will. In seinem Impuls zu Chancen und Grenzen für einfa­chere Regu­lie­rung machte der Koor­di­nator der Bundes­re­gie­rung für Bessere Recht­set­zung und Büro­kra­tie­abbau, Parla­men­ta­ri­scher Staats­se­kretär beim Bundes­mi­nister der Justiz Benjamin Strasser, MdB (FDP), deutlich, dass der Abbau von Büro­kratie kein einma­liges Projekt, sondern eine Daue­r­auf­gabe sei. „Mit dem Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz IV und dem Wachs­tums­chan­cen­ge­setz gehen wir die ersten Schritte“, so Strasser. „Wir werden hier aber nicht aufhören und auch bei der Verwal­tungs­mo­der­ni­sie­rung und bei der Beschleu­ni­gung von Planungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fahren weiter für Erleich­te­rungen sorgen.“

Fami­li­en­un­ter­neh­merin Sabine Herold, Geschäfts­füh­rende Gesell­schaf­terin von DELO Industrie Kleb­stoffe, machte deutlich, dass sie den aktuelle Büro­kra­tie­kosten-Index als völlig unzu­rei­chend betrachte, da die teuersten Büro­kra­tie­treiber außen vor blieben. Gerade aus der EU komme immer mehr. Ihre Forderung: „Wir müssen uns trauen, auch mal etwas wegzu­lassen. Viele Regu­lie­rungen wie das Liefer­ket­ten­ge­setz sind sicher gut gemeint, aber die prak­ti­sche Umsetz­bar­keit bleibt auf der Strecke. Beim Büro­kra­tie­abbau herrsche keine Zeiten­wende, sondern höchstens eine Zeit­lu­pen­wende“, so Herold.

Jan Peter Coblenz, Präsi­di­ums­mit­glied Bundes­ver­band Groß­handel, Außen­handel und Dienst­leis­tungen e. V. und Geschäfts­füh­render Gesell­schafter der Brangs + Heinrich GmbH, betonte die große Belastung durch Büro­kratie: „Die Zahl der gesetz­li­chen Infor­ma­tions-, Doku­men­ta­tions- und Berichts­pflichten für Unter­nehmen in Deut­sch­land ist in den letzten Jahren geradezu explo­diert. Besonders für den Mittel­stand ist dies nicht mehr umsetzbar. Wir benötigen dringend Erleich­te­rungen – besser heute als morgen!“

Der Haupt­ge­schäfts­führer des Arbeit­ge­ber­ver­bands Gesamt­me­tall Oliver Zander betonte, dass die guten Vorsätze nichts wert seien, wenn bei Abstim­mungen auf euro­pä­i­scher Ebene das Gegenteil passiere. „Wenn Deut­sch­land beispiels­weise eine EU-Liefer­ket­ten­richt­linie nicht verhin­dert, dann kann die Wirt­schaft die Beteu­e­rungen der Bundes­re­gie­rung nicht ernst nehmen. Büro­kra­tie­abbau und Büro­kra­tie­ver­hü­tung gehören zusammen!“

In seinem Fazit betonte Thilo Brodtmann, Haupt­ge­schäfts­führer Verband Deutscher Maschinen- und Anla­genbau e. V., dass Büro­kra­tie­abbau von der Politik als Instru­ment für mehr Wachstum verstanden werden muss: „Der Abbau büro­kra­ti­scher Lasten verschafft Unter­nehmen Raum für dringend benötigte Inves­ti­ti­onen. Gerade jetzt mit Blick auf das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts und gesperrter Kassen ist Büro­kra­tie­abbau ein probates kosten­güns­tiges Instru­ment, um mehr Wirt­schafts­wachstum anzuregen. Weniger ist in diesem Falle mehr!“

Auch wenn die Kritik am bislang unzu­rei­chenden Tempo des Büro­kra­tie­ab­baus viel Raum einnahm, war der Austausch mit dem Parla­men­ta­ri­schen Staats­se­kretär Benjamin Strasser hilfreich, um gegen­sei­tiges Verständnis zu entwi­ckeln. Unter­nehmen verschie­denster Branchen konnten dabei ihre Bereit­schaft unter­mauern, prak­ti­sche Erfah­rungen einzu­bringen, um gemeinsam mit der Politik unver­hält­nis­mä­ßige Büro­kratie zu iden­ti­fi­zieren. Durch Praxis-Checks und andere Wege der Einbin­dung der Unter­neh­men­s­praxis kann es gelingen, die anste­henden Bera­tungen zum Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz IV für die lang ersehnte Trend­wende zu nutzen.