Offener Brief von 32 Verbänden an die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD im Bundestag
Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Spahn,
sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Miersch,
sehr geehrter Herr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Hoffmann,
wir als Vertreter von mehr 30 Verbänden, die für mehr als die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland stehen, appellieren eindringlich an Sie: Stoppen Sie das „Rentenpaket 2025“. Es würde den Bundeshaushalt und kommende Generationen mit einer finanzpolitischen Hypothek historischen Ausmaßes belasten.
Laut aktuellen Berechnungen der Prognos AG im Auftrag der INSM übersteigen die tatsächlichen Kosten die bisherigen Schätzungen deutlich: Bis 2050 entstünde eine zusätzliche Belastung von fast 480 Milliarden Euro – das entspricht in etwa dem gesamten Volumen des schuldenfinanzierten Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaschutz. Die jährlichen Mehrkosten stiegen gegenüber der geltenden Rechtslage von 18,3 Milliarden Euro (2031) auf 27 Milliarden Euro (2050).
Der von der Regierung beschlossene Gesetzentwurf geht damit weit über den Koalitionsvertrag hinaus, der „nur“ eine Zusatzbelastung von insgesamt gut 123 Milliarden Euro bis 2050 gegenüber der aktuellen Rechtslage verursachen würde. Schon diese Koalitionsvereinbarung ist aus Sicht der unterzeichnenden Verbände ein Fehler – sie verschärft die demografische Schieflage und engt künftige Haushaltsräume massiv ein. Der nun vorliegende Entwurf aber überdehnt die Tragfähigkeit des Systems endgültig und ist weder generationengerecht noch finanzierbar.
Besonders befremdlich ist: Die Rentenkommission, die sich mit der langfristigen Neuordnung des Systems ab 2031 befassen soll, hat ihre Arbeit noch gar nicht aufgenommen. Mit dem jetzigen Gesetz würde ihr Handlungsspielraum faktisch zunichtegemacht, noch bevor sie tagt. Sie soll sich explizit mit der grundsätzlichen Verfasstheit des deutschen Rentensystems ab 2031 befassen und aufgrund der finanziellen Dimensionen des aktuellen Gesetzesvorhabens in ihrem Wirken von vornherein massiv eingeschränkt.
Das Rentenpaket 2025 wäre ein schwerer politischer und ökonomischer Fehler. Es ist nicht nachhaltig und generationengerecht, Investitionen mit Verweis auf die Haushaltslage über Schulden zu finanzieren, wenn gleichzeitig neue konsumtive Ausgaben in ähnlicher Größenordnung beschlossen werden.
Das Rentenpaket 2025 würde unsere Gesellschaft spalten: Die arbeitende Mitte unserer Gesellschaft würde wegen der gigantischen Schulden zugunsten der Rentner immer weniger vom eigenen Arbeitseinkommen übrig behalten, denn entweder müssen sie immer höhere Rentenbeiträge oder immer höhere Steuern zahlen, um das riesige Loch in der Rentenversicherung zu stopfen. Die Unternehmen verlieren durch diesen Kostenschub noch schneller an Wettbewerbsfähigkeit, die Verlagerung der Produktion samt den Arbeitsplätzen ins günstigere Ausland wird so noch beschleunigt. Das bisherige umlagefinanzierte Rentensystem würde gesprengt.
Stattdessen braucht Deutschland eine Rentenreform, die unser Umlagesystem nachhaltig stabilisiert und einen neuen fairen Ausgleich zwischen Jung und Alt schafft.
Dazu gehören:
• Abschaffung von Frühverrentungsanreizen wie der „Rente mit 63“
• moderate Anpassung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung
• Rentenanpassungen nur noch als Inflationsausgleich, nicht angelehnt an die Lohnsteigerungen
• Erhöhung von Rentenabschlägen und Rentenzuschlägen bei früheren bzw. späteren Renteneintritten
Wir appellieren eindringlich an Sie:
Vertagen Sie die Entscheidung über das Rentenpaket 2025, bis die Rentenkommission ihre Vorschläge erarbeitet hat. Dies sollte deutlich schneller als bisher geplant geschehen. Die Ergebnisse sollten bis Sommer 2026 vorliegen – die Fakten liegen längst auf dem Tisch, und Reformoptionen sind seit Jahren bekannt. Deutschland braucht jetzt Mut zur Ehrlichkeit und Verantwortung für die nächste Generation – nicht neue Versprechungen auf Kosten der Zukunft.
Mit freundlichen Grüßen
