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Wir müssen das Ausbluten beenden!

Dein­dus­tri­a­li­sie­rung

Namensbeitrag von Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander bei der Table Forum Regierungsagenda:

Tatsache ist: Wir brauchen einen Poli­tik­wechsel, um die Dein­dus­tri­a­li­sie­rung zu stoppen und das Ausbluten der wirt­schaft­li­chen Grund­lagen zu beenden. Jedes zweite Unter­nehmen will seine Inves­ti­ti­onen in Deut­sch­land weiter redu­zieren. Fast die Hälfte davon kürzt das Inves­ti­ti­ons­budget um mehr als 30 Prozent und inves­tiert im Ausland. Die Dein­dus­tri­a­li­sie­rung in Deut­sch­land geht unge­bremst weiter, weil der Standort nicht mehr wett­be­werbs­fähig ist. Denn wir haben viel zu hohe Ener­gie­preise, wir haben viel zu hohe Unter­neh­mens­steuern und viel zu hohe Arbeits­kosten einschließ­lich der Sozi­a­l­ver­si­che­rungs­bei­träge. Und die Büro­kratie lähmt die Wirt­schaft noch dazu. Das schlägt auch auf den Arbeits­markt durch. Allein in der Metall- und Elektro-Industrie sind seit 2023 über 100.000 Arbeits­plätze verloren gegangen.

Was auch immer im Koali­ti­ons­ver­trag stehen wird: Ohne ein Stoppen der Dein­dus­tri­a­li­sie­rung durch die genannten Punkte ist jede Verein­ba­rung ein wertloses Stück Papier und die neue Bundes­re­gie­rung zum Scheitern verur­teilt. Dabei ist es völlig egal, wie viel Geld der Staat ausgibt. Solange private Inves­toren kein Vertrauen in den Standort haben, ist das nur ein besonders teures Stroh­feuer. Es gilt: Ohne stabile Wirt­schaft gibt es keine stabile Regierung.

Um das zu erreichen, muss sich der Koali­ti­ons­ver­trag auf einige zentrale Punkte konzen­trieren, unter anderem:

  • Senkung der Energiekosten: Sie sind viel zu hoch und machen die deutsche Industrie in weiten Teilen nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Senkung der Energiekosten ist daher zwingend. Oberste Priorität haben die Reduzierung der Netzentgelte und die unbefristete Reduzierung der Stromsteuer auf das EU-Minimum für Unternehmen sowie die Streichung der Gasspeicherumlage für alle inländischen Verbraucher spätestens ab dem 1. Juli 2025. Dabei können gerade energieintensive Unternehmen nicht mehr warten: Diese Unternehmen müssen zusätzlich bereits in diesem Jahr entlastet werden, sonst gehen dort die Lichter aus. Die Kosten sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) getragen werden.
  • Unternehmensbesteuerung: Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland ist im internationalen Vergleich viel zu hoch. Die Steuerbelastung muss deutlich sinken. Wir brauchen den Einstieg in eine Unternehmenssteuerreform zum 1. Januar 2026 mit einer Senkung der Unternehmenssteuern von 30 auf maximal 25 Prozent. Forschungs- und Entwicklungskosten müssen größenklassenunabhängig steuerlich gefördert werden. Und es braucht auch eine Vereinfachung, auch bei der Einkommensteuer. Im Zuge der Steuerreform muss auch der Solidaritätszuschlag sofort und vollständig abgeschafft werden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Chance gegeben, jetzt politisch zu handeln.
  • Sozialversicherungsbeiträge: Der weitere Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge muss gestoppt werden. Wir brauchen sofort ein Paket zur Stabilisierung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, so dass ein noch weiterer Anstieg ab 1. Januar 2026 verhindert wird. Es darf also keinerlei Leistungsausweitungen der Sozialversicherungen geben oder diese müssen kompensiert werden. Versicherungsfremde Leistungen sind aus Steuermitteln zu finanzieren. Außerdem müssen die Sozialversicherungsbeiträge in dieser Legislaturperiode wieder auf maximal 40 Prozent zurückgeführt werden, unter anderem durch eine große Organisationsreform der Sozialversicherung.
  • Tarifautonomie: Es darf keine neuen Eingriffe in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie durch politische oder gar neue gesetzliche Vorgaben für die Mindestlohnkommission geben. Nicht die Politik legt die Löhne fest, sondern die Tarifpartner. Geschieht dies nach 2021 nochmals, ist die Mindestlohnkommission sinnlos.

Natürlich gibt es noch viele weitere Baustellen, an denen der Standort Deut­sch­land krankt – etwa bei der Büro­kratie und der Bildung. Aber Ener­gie­kosten, Steuern und Sozi­a­l­ver­si­che­rungs­bei­träge sind der Kern. Die jetzt bekannt gewor­denen Ergeb­nisse der Verhand­lungs­gruppen sind teilweise gut, teilweise schlecht. Aber jetzt beginnt die entschei­dende Phase, ich bleibe zuver­sicht­lich und erinnere an einen großen Bundes­kanzler, der mal gesagt hat: „Ent­schei­dend ist, was hinten rauskommt.“