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„Wir sind in ganz vielen Bereichen ins Hintertreffen geraten.“

Deut­sch­land auf dem Weg in die Rezession

Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf fordert in der Bild am Sonntag mehr Leistungsbereitschaft, kritisiert Kanzler Scholz und warnt vor dem Abstieg Deutschlands:

Herr Wolf, die deutsche Wirt­schaft schrumpft, die Aufträge im Maschi­nenbau sind um 21 Prozent gesunken. Wie schlimm wird der Winter?

Wir laufen auf eine echte Problem­lage zu. Die deutsche Industrie erhält viel zu wenig Neuauf­träge und zwar nicht nur bei den Maschi­nen­bauern, sondern auch in anderen Schlüs­sel­in­dus­trien wie Automobil und Chemie. Wir schlit­tern in eine Rezession und ich sehe nicht, wie sich das unter den aktuellen Umständen 2024 ändern soll.

Welche Konse­quenzen hat das für Jobs und Unter­nehmen?

Ich rechne aktuell damit, dass die Zahl der Beschäf­tigten in der Metall- und Elektro-Industrie im kommenden Jahr sinken wird. Die schlechte Auftrags­lage ist ein Grund dafür. Ein anderer: Für immer mehr Unter­nehmen ist es inzwi­schen deutlich attrak­tiver, die Produk­tion ins Ausland zu verlagern.

Was sind die Gründe für den Abschwung?

Wir sind in ganz vielen Bereichen ins Hinter­treffen geraten. Wir haben die höchsten Ener­gie­preise der Welt, mit die schlimmste Büro­kratie, ein riesiges Digi­ta­li­sie­rungs-Defizit und eine teilweise marode Infra­s­truktur. Und die Bildung ist noch mal ein Trau­er­spiel für sich.

Der Kanzler hat einen Deut­sch­land-Pakt nach den Land­tags­wahlen in Bayern und Hessen ange­kün­digt. Kann der die Wende bringen?

Ich würde es mir wünschen. Ich schätze den Bundes­kanzler, aber er führt nicht. Ein Kanzler muss die Dinge beim Namen nennen, seine Koali­ti­ons­partner auf ein gemein­sames Ziel einschwören und dann Lösungen umsetzen. Das fehlt mir in dieser Regierung extrem. Bislang ist der Deut­sch­land-Pakt nur ein inhalts­loses Schlag­wort. Kein Mensch weiß, was sich konkret dahinter verbergen soll.

Was müsste denn Ihrer Meinung nach drin­stehen?

Wir brauchen weniger Büro­kratie, für eine Über­g­angs­zeit einen billi­geren Strom­preis für ener­gi­e­in­ten­sive Betriebe, eine große Bildungs-Offensive, Entlas­tung des Mittel­stands, weniger Steuern und Abgaben, nied­ri­gere Sozi­a­l­ver­si­che­rungs­bei­träge. Und ganz wichtig: Arbeit muss sich wieder lohnen.

Wieso glauben Sie, dass sich Arbeit in Deut­sch­land nicht mehr lohnt?

Zwei Beispiele: Ich halte die Erhöhung des Bürger­geldes um 12 Prozent für einen kapitalen Fehler. Je nach indi­vi­du­eller Situation kann es sich in der Metall- und Elektro-Industrie beispiels­weise dann in den zwei unteren Gehalts­s­tufen nicht mehr lohnen, jeden Tag arbeiten zu gehen. Der Abstand zum Bürger­geld, ohne arbeiten zu müssen, ist dann einfach zu gering. Da werden viele Leute sagen: Warum soll ich denn für ein paar Euro mehr einen Job annehmen?

Und das zweite Beispiel?

Ein Landrat aus Baden-Würt­tem­berg hat kürzlich vorge­rechnet, dass eine vier­köp­fige Flücht­lings­fa­milie in Deut­sch­land etwa 3500 Euro im Monat bekommt. Um diese Summe auf dem Konto zu haben, müssen die Eltern einer erwerbs­tä­tigen Familie 5300 Euro brutto verdienen. Da gerät doch etwas in Schief­lage!

Sollten Asyl­be­werber schneller arbeiten dürfen und müssen?

Wer nach Deut­sch­land kommt, weil er anerkannt wegen Verfol­gung in seiner Heimat hier leben muss, von dem können wir erwarten, dass er hier arbeitet und sich nicht nur vom Staat finan­zieren lässt. Es gibt auch genügend Jobs, für die man keine besondere Quali­fi­ka­tion braucht. Im Übrigen: Die Flücht­linge bringen zum Teil Berufs­er­fah­rung mit. Arbeit ist doch nichts Negatives, sie kann erfüllend und sinn­stif­tend sein. Sie bringt Aner­ken­nung, Erfolgs­er­leb­nisse und selbst verdientes Geld. Aber: Arbeit gerät in Deut­sch­land teilweise gerade in Verruf.

Sie spielen auf die jüngere Gene­ra­tion an, die Sabba­ti­cals, 4-Tage-Woche und Work-Life-Balance einfor­dert?

Ich habe schon mit dem Begriff Work-Life-Balance ein Riesen-Problem. Er sagt aus, Work ist schlecht, Life ist gut. Dabei sind Leben und Arbeit doch keine Gegen­sätze. Das Thema Leistung und Arbeit muss wieder positiv darge­stellt werden, nicht nur von Arbeit­ge­bern und Verbänden, vor allem in den Familien und an den Schulen. Es braucht gerade für Kinder Leis­tungs­an­reize und die Möglich­keit, sich mit anderen zu messen. Unser hoher Wohlstand ist nicht selbst­ver­ständ­lich, sondern basiert auf Leistung.

Lernen Kinder das nicht mehr?

Es macht den Eindruck, dass viele Kinder und Jugend­liche nicht mehr sehen, dass sich Leistung lohnt. Die Abschaf­fung von Noten an Grund­schulen ist voll­kommen falsch. Selbst die Bundes­ju­gend­spiele sollen jetzt kein Wett­be­werb mehr sein, was sendet das denn für ein Zeichen? Ich war als Jugend­li­cher auch nicht der geborene Leicht­athlet, für eine Ehren­ur­kunde hat es nie gereicht. Aber das hat mir doch nicht geschadet.